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Im Jahre Ragnarök

Titel: Im Jahre Ragnarök Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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kontrollieren, der unter der gelben Warnflagge unterwegs war. Und falls gerade das wider Erwarten doch einmal geschah, kamen wohl erstklassig gefälschte Passierscheine zur Anwendung, hergestellt aus General Pattons echten Blankounterschriften. Es war die dreisteste Art heimlicher Fortbewegung, die Tubber sich vorstellen konnte – so auffällig, dass niemand je Verdacht schöpfen konnte.
Die zehn jungen Rekruten stiegen in den Laster, die Türen wurden hinter ihnen geschlossen. Dann fuhr der Wagen an und reihte sich in einen Konvoi von weiteren Fahrzeugen ein, die alle vorgeblich dem Spanischen Roten Kreuz gehörten.
Zwischen ihnen erkannte Tubber den Wagen, in dem Pallasch gefahren war; jetzt allerdings trug er gleichfalls eine Quarantäneflagge, und ein Rotkreuz-Emblem war auf die Plane über der Ladefläche geklebt worden.
Die schweren Dieselmotoren sprangen an und ließen mit ihrem rasselnden Dröhnen die feuchte Nachtluft vibrieren; schwerfällig setzte sich der Konvoi in Bewegung.
Die Kolonne verließ die Lichtung in Richtung Westen — in Richtung des gegenüberliegenden Tores, weg von jenem, durch das Tubber gekommen war. Das enthob ihn der drückenden Sorge, dass die toten Wachen entdeckt werden könnten. Auch wenn er die Leichen zu einem brauchbaren Täuschungsmanöver arrangiert hatte, konnte Tubber sich nicht absolut sicher sein, dass die Fahrer nicht doch misstrauisch geworden wären und die Umgebung abgesucht hätten. So jedoch war die Gefahr, besonders für Greta Donath, gebannt.
Nachdem der letzte Lastwagen die Lichtung verlassen hatte, wandte Graufeld sich mit einer weiteren Ansprache an die zurückgelassenen Rekruten. Er lobte in volltönenden, doch eigentlich hohlen Phrasen die Qualitäten ihres nordischen Wesens.
Tubber hatte den Eindruck, dass es für ihn nichts Interessantes mehr zu sehen geben würde. Mit jeder weiteren Minute, die er an diesem Ort verbrachte, ging er nur ein unnötiges Risiko ein. Doch etwas hielt ihn zurück. Graufelds Rede machte ihn stutzig. Die weihevollen Satzgebilde klangen ganz so, als wollte der SS-Offizier Zeit schinden. Aber zu welchem Zweck? Wieso verteilte er nicht einfach die Lebensmittel und ließ die Männer dann gehen, anstatt die Zeremonie derart in die Länge zu ziehen?
Graufeld sprach weiter, bis sich die Motorengeräusche des Lastwagenkonvois in der Ferne verloren hatten. Daraufhin brachte er seine Rede zu einem sehr abrupten Ende und verkündete knapp: »Es wird Zeit, dass ihr den Dank des Reichsführers entgegennehmt.«
Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, als an den Rändern der Lichtung SS-Männer überraschend die Abdeckplanen von zwei schweren Maschinengewehren rissen und sofort auf die Rekruten zu feuern begannen. Sie wurden im Kreuzfeuer zerfetzt, noch ehe sie begriffen, was geschah. Tubber konnte sehen, dass sie schrien, ihre Münder in Panik weit aufrissen; doch das rasende, brüllende Hämmern der MGs verschluckte ihre Schreie restlos. Einige versuchten vergeblich davonzulaufen.
Es war aussichtslos. Sie brachen nach wenigen Schritten zusammen und waren tot, noch ehe ihre von Geschossen zerrissenen Körper auf dem Boden aufschlugen.
Tubber drehte sich der Magen um. Ein Schwall ätzend bitterer Galle quoll in seinen Rachen, und er konnte ihn kaum wieder hinabwürgen.
Nach wenigen Augenblicken war alles vorbei. Die Maschinengewehre verstummten.
Zwei SS-Männer zogen ihre Pistolen und wateten durch den Sumpf aus blutigem Fleisch. Routiniert überprüften sie, ob sich Überlebende durch zuckende Gliedmaßen oder schmerzerfülltes Stöhnen verrieten. Fünfmal führten sie das Werk der Maschinengewehre zu Ende. Mit Kopfschüssen aus kurzer Distanz löschten sie jeden Rest Leben endgültig aus. Als sie überzeugt waren, ihre Aufgabe gewissenhaft erfüllt zu haben, überbrachten sie Graufeld die Vollzugsmeldung:
»Auftrag ausgeführt, Hauptsturmführer. Sollen wir die Leichen jetzt wie üblich vergraben?«
»Das ist nicht mehr nötig«, verneinte Graufeld. »Schüttet einfach Benzin drüber und verbrennt sie zusammen mit dem Material, das wir nicht mitnehmen können.
Geben Sie jetzt Befehl, das Lager abzubrechen. In einer Stunde rücken wir ab.«
Der Offizier erteilte noch weitere Anweisungen, die Tubber aber schon nicht mehr hörte. Er kroch benommen davon, und sobald er die Lichtung weit genug hinter sich gelassen hatte, stand er auf und rannte so schnell ihn die Beine trugen.
Erst, als er die Allee erreichte, blieb er stehen. Er stützte sich an

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