Im Jahre Ragnarök
giftgelber Fleck ein, der die Milzbrand-Zone kennzeichnete. Und an ihrem nördlichen Rand, nur knapp außerhalb des Sperrgebiets, war ein Ortsname am linken Ufer der Elbe doppelt mit Bleistift eingekreist: Pirna.
»Pirna?« Smith sprach den Namen mehrmals nacheinander ziellos aus. Da war doch was , ging ihm durch den Kopf. Wo habe ich das bloß schon mal gehört ... jemand hat von Pirna gesprochen. Damn, wenn ich mich nur erinnern würde ... Er legte Atlas und Brille neben sich auf den Sitz, rieb sich mit den Fingerknöcheln über die Stirn und dachte angestrengt nach. Und mit einem Mal erinnerte er sich: Der Engländer hatte beim Verhör Pirna erwähnt. War das also vielleicht doch kein Versuch gewesen, sich mit einer übereilt konstruierten Ausrede aus der Affäre zu winden? Gab es dort in Pirna tatsächlich etwas, irgendetwas, das Lieutenant Tubber für so wichtig oder gefährlich hielt, dass er es um jeden Preis aufdecken wollte? Oder war die Markierung auf der Straßenkarte vielleicht nur der gezielte Versuch, eine falsche Fährte zu legen? Smith presste nachdenklich die Zungenspitze gegen die Innenseite seiner Zähne; hatte er nun eine Spur oder nicht? Er wollte sich auf gar keinen Fall nochmals von dem Engländer oder einem seiner Spießgesellen übertölpeln lassen.
Der Captain kam wieder herbeigeeilt und reichte Smith einen Zettel in den Wagen.
»Heute ist nur ein einziger Army-Transport von Berlin nach Süden abgefahren, Sir«, meldete er. »Bestimmungsort sind die Uranbergwerke im Erzgebirge.«
Smith nahm den Zettel an sich, machte sich aber nicht die Mühe, die fahrig niedergeschriebenen Worte zu lesen. »Sofort per Funk Kontakt mit der Besatzung aufnehmen«, ordnete er an.
»Das ist nicht möglich, Sir. Der Wagen hat kein Funkgerät.«
»Verdammte Scheiße!«, rief Smith aus und schlug mit der Faust auf das Sitzpolster; die Sprungfedern im Inneren der Rückbank gaben einen dissonanten metallischen Akkord von sich, und durch die Erschütterung fiel die Brille zu Boden.
»Sie melden sich jetzt auf der Stelle nochmals beim Hauptquartier. Richten Sie diesen lahmen Sesselfurzern von mir aus, dass ich auf der Stelle motorisierte Einheiten will, die den LKW von Norden und Süden auf der Autobahn in die Zange nehmen und abfangen. Jeeps mit schwer bewaffneten Patrouillen, Panzerspähwagen! Und Hubschrauber! Die sollen gefälligst ihre fetten Ärsche in Bewegung setzen!«
»Jawohl, Sir«, bestätigte der Captain und lief los, um die Anweisung weiterzugeben.
Smith lächelte grimmig. Diesmal konnten sie ihm nicht entkommen. Falls nötig, würde er Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um den Engländer und seine Bande einzufangen. Es ging jetzt nicht mehr alleine darum, herauszufinden, auf welche Weise der JIS-Agent in die Sache mit Svensson und Pallasch verstrickt war und was er alles wusste; es ging auch um Rache für die doppelte Demütigung. Sie würden bezahlen, schwor Smith sich und ließ die Knöchel seiner Finger nacheinander laut krachen.
Schneller als erwartet kam der Captain zurück und teilte Smith noch im Laufen mit: »Sir, Sie möchten bitte ans Funkgerät kommen!«
»Sind die Idioten etwa nicht mal fähig, meine Befehle zu kapieren?«, schnarrte der Agent ärgerlich, als er aus dem Chrysler stieg. Er ging hinüber zu dem Wagen des Captains und ließ sich das Handteil des Funkgeräts hinausreichen.
»Was zum Teufel ...«, begann er, doch die verzerrt aus dem Lautsprecher knarrende Stimme ließ ihn augenblicklich verstummen:
»Dürfte ich freundlicherweise erfahren, was da vorgeht, Smith?«
»Ja, Sir, natürlich, Sir«, versicherte Smith, obwohl ihm der Schreck fast die Kehle zusammenpresste. »Ich verfolge einen flüchtigen englischen Agenten, der über Informationen in der Angelegenheit Svensson verfügt und der ...«
»Das reicht, Smith«, unterbrach ihn sein unsichtbarer Vorgesetzter scharf. »Was machen Sie da bloß die Pferde scheu? Hubschrauber und Spähpanzer! Warum verlangen Sie nicht gleich die Air Force?«
»Bitte hören Sie mir doch zu, Sir«, bat Smith, wobei er vergebens versuchte, seine Stimme so zu senken, dass die umstehenden Militärpolizisten nicht heraushören konnten, in welcher Lage er sich plötzlich befand.
» Sie hören mir zu! Svensson war ein kleiner Fisch, ein gewöhnlicher Kunsthehler.
Ihr Einsatz rechtfertigte nicht im Geringsten den lächerlichen Zirkus, den Sie jetzt veranstalten. Sie wollen in Wirklichkeit den Engländer in die Finger bekommen, weil er Sie zweimal
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