Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Im Jahre Ragnarök

Titel: Im Jahre Ragnarök Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
Vom Netzwerk:
bloßen Händen in ein Häuflein blutiges Fleisch verwandeln. Also, werden Sie reden?«
Smith versuchte zu sprechen, brachte aber nur ein Gurgeln hervor. Erst nachdem er blutigen Schleim ausgespuckt hatte, konnte er röcheln: »Ich rede ...«
Tubbers Lippen formten ein kühles Lächeln. »Eine kluge Entscheidung. Also, wieso verfolgen Sie und ... oder nein, beginnen wir der Einfachheit halber lieber ganz am Anfang. Warum wollten Sie in Kassel Svensson und Pallasch auflauern?
Welche Informationen hatten Sie über die beiden?« »Wir ... wir hatten herausgefunden, dass Svensson einer der Händler war, über den deutsche Kunstwerke, die den USA zustehen, illegal an amerikanische Privatleute gelangen«, krächzte Smith, während immer noch Blut aus seinem Mund rann.
»Aber wir kannten seine Quellen nicht.«
»Nur weiter.«
»Die CIG hat darum Svenssons Telefon abgehört. Vor drei Wochen hat er telefonisch ein Treffen mit einem gewissen Pallasch in Kassel verabredet. Pallasch versprach ihm ein besonders wertvolles Gemälde.«
Smith sprach so gehetzt, dass er sich mehrmals verschluckte. Er musste husten, und rote Tropfen spritzten aus seinen Nasenlöchern. »Die Zettel ...«, ächzte er in das Husten hinein.
»Was für Zettel?«
»In meiner Innentasche ... rechts ...«
Misstrauisch fasse Tubber in Smith' Manteltasche und holte zwei Stücke Papier heraus, die auf den ersten Blick absolut unscheinbar waren. Er entfaltete und betrachtete sie, hob verwundert die Augenbrauen, hielt sie in den Lichtstrahl, der durch die Öffnung der Lastwagenplane fiel, und verglich sie wieder und wieder.
Seine Augen wanderte zwischen den Zetteln hin und her, und je länger er sie ansah, umso größer wurde seine Verwirrung. Schließlich schaute er finster auf Smith.
»Was hat das zu bedeuten?«, verlangte er zu wissen.
»Aber – aber das wollte ich doch von Ihnen erfahren! Darum war ich in Dresden!«
»Ich warne Sie!«, knurrte Tubber und packte Smith am Mantelkragen. »Versuchen Sie keine Spielchen!«
Eilig versicherte Smith: »Nein, nein, nein! Es ist die Wahrheit! Ich habe diesen Zettel doch vor drei Wochen selbst geschrieben! Verstehen Sie? Das war meine Notiz über Svenssons geplantes Treffen mit Pallasch! Der Zettel war die ganze Zeit in meiner Brieftasche, bis eben! Und der andere war von Ihnen. Wie konnten Sie an einen ... einen Doppelgänger davon gelangen? Wie?«
»Ist das alles Ihr Ernst?«
»Ich schwöre es, bei Gott, ich schwöre es!«, flehte Smith geradezu.
Tubber ließ ihn los, wankte einen Schritt zurück und fasste sich an den schmerzenden Kopf. Ich verliere den Verstand, das ist die einzige Erklärung , dachte er.
Pallasch ist doppelt, der Zettel ist doppelt. Wie kommt ein toter Mann, den es nicht geben kann, zu einem Zettel, den es nicht geben kann? Das ist doch purer Irrsinn! Das Paradoxon ließ die Gedanken in seinem Kopf rasen und wirbeln; sie drohten seinen Schädel zu sprengen. Tubber wusste, dass er diese Unmöglichkeiten ignorieren musste, wollte er nicht dem Wahnsinn verfallen. Hastig faltete er die Zettel wieder zusammen und drückte sie Greta in die Hand.
»Nehmen Sie das«, sagte er tonlos. Er wollte mit diesen aller Logik Hohn sprechenden Papierstücken nichts zu tun haben. Sie machten ihm Angst.
     

Pirna, 11:15 Uhr
    Etappenweise bewegte Tubber sich auf den Marktplatz im Zentrum Pirnas zu. Im Schutze von Mauervorsprüngen und unübersichtlichen Winkeln lief er behände und fast geräuschlos durch die schmalen Seitenstraßen, schlüpfte durch eingestürzte Wände oder zerbrochene Türen in verlassene Häuser und Hinterhöfe, schlich durch düstere Gänge und über wankende Stiegen, ohne dabei sein Ziel auch nur für einen Moment aus den Augen zu verlieren.
Das Anpirschen und Spähen lag ihm. Es war immer schon der einzige Aspekt der Geheimdienstarbeit gewesen, der ihm jemals so etwas wie Vergnügen bereitet hatte. Obwohl die Gefahr natürlich ungleich größer war, hatte das gekonnte Anschleichen für ihn stets ein wenig von einem spannenden Kinderspiel gehabt. Er musste sich nur ständig ins Gedächtnis rufen, dass er mehr als nur einen Beutel Glasmurmeln zu verlieren hatte, falls er sich durch eine Ungeschicklichkeit von seinen Gegenspielern erwischen ließ.
Ohne Zwischenfälle gelangte er durch den Hintereingang in ein Haus, dessen Vorderseite nach seinen Schätzungen direkt am Marktplatz liegen musste. In einem lichtlosen Treppenhaus, das erfüllt war von jenem aus allen Ritzen dringenden klammen

Weitere Kostenlose Bücher