Im Jahre Ragnarök
Pistole an den Schädel pressen, bis der mit einer Erklärung herausrückte.
Und gnade dem Engländer Gott, falls es keine spektakuläre Erklärung sein sollte.
Ein kalter Windstoß fegte über den ruinengesäumten Platz, heulte durch leere Fensterhöhlen und trieb einige Regentropfen vor sich her. Smith hauchte sich in die klammen Hände, ohne den Blick vom Tanklager zu lassen. Ein Geräusch ließ ihn plötzlich aufmerken. Es klang wie ein herannahender Lastwagen. Smith drückte sich noch enger an den Ziegelstapel und spähte aufmerksam in die Richtung, aus der das lauter werdende Motorendröhnen zu ihm drang. Im nächsten Moment kam ein M35-Truck im stumpfen Olivgrün der Army hinter den Häuserruinen hervor und rollte über das buckelige Pflaster auf das Tanklager zu. Smith ballte triumphierend die Fäuste. Seine Eingebung hatte ihn nicht getrogen!
Der Laster hielt vor dem Tanklager, nur wenige Meter von Smith entfernt. Auf der abgewandten Beifahrerseite stieg jemand aus, doch das nahm er nicht wahr.
Er hatte gesehen, dass am Steuer der deutsche Ordnungsdienstmann saß, der ihn in Kassel mit einem Fausthieb in das stinkende Wasserbecken befördert hatte. Der Polizist hatte sich einen Army-Mantel übergezogen, doch Smith ließ sich nicht täuschen.
Das knochige Gesicht hinter dem offenen Fenster hätte er selbst in einer Menge von Tausenden wiedererkannt. Und er spürte, wie der brennende Hass, der sich in ihm aufgestaut hatte, aufbrodelte. Er warf alle Vorsicht beiseite, stürzte mit gezogener Waffe aus seinem Versteck hervor und richtete die Pistole auf den vollkommen überraschten Dünnbrot. »Don'cha move, or you'll be one dead wurst !«, drohte er.
Weiter kam er nicht. Plötzlich drückte kaltes Metall gegen seine rechte Wange, und er hörte die leise warnende Stimme des Engländers: »Keinen Laut, Captain, oder ich muss Sie bedauerlicherweise erschießen.«
Nun war Smith so überrumpelt wie zuvor Dünnbrot. Tubber entwaffnete ihn rasch und bedeutete ihm, auf die Ladefläche des Wagens zu steigen. »Lassen Sie sich nicht einfallen, Alarm zu geben«, ermahnte er ihn nochmals und presste, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, die Mündung der Pistole in den Nacken des Amerikaners.
Dünnbrot hatte den Schock schnell überwunden. Er beugte sich schnell aus dem Fenster auf der Beifahrerseite. Chantal, die gerade mit einem Soldaten aus der Wachbaracke des Tanklagers zurückkam, rief er mit dem besten amerikanischen Tonfall, den er in der Eile improvisieren konnte, drängend zu: »Ma'am, würden Sie gleich das Steuer übernehmen? Ich muss nach hinten, es gibt Probleme mit der Ladung.«
Zwar stutzte Chantal kurz, da sie wusste, dass sich dort bereits Tubber und Greta befanden. Aber sie merkte, dass etwas geschehen sein musste, und stimmte zu.
Dünnbrot sprang eilig aus dem Fahrerhaus, lief zum Heck des Wagens und kletterte auf die Ladefläche.
Während draußen unter lautem Rumpeln Fässer herangerollt wurden, hielt Tubber als ständige Drohung die Waffe auf die Stirn des gefesselten und geknebelten CIG-Agenten gerichtet. Dabei entging ihm nicht, wie Greta mit unverhohlener Genugtuung auf den Gefangenen hinabblickte; sie hatte sein widerwärtiges Angebot beim Verhör in Berlin offensichtlich nicht vergessen. Aber noch mehr fiel ihm Dünnbrot auf. Der Deutsche hatte Smith nicht nur mit furchterregend glühenden Augen fixiert, sein Gesicht war auch noch tiefrot verfärbt, und das unstete Zucken der Muskeln unter seiner Haut wirkte, als würde er unter einer übermächtigen inneren Spannung stehen, die ihn zu zerreißen drohte. Er schien von Gefühlen heimgesucht zu werden, die jede Sekunde seiner Kontrolle zu entgleiten drohten. Tubber vermochte sich nicht zu erklären, was in diesem Mann vorging. Dünnbrot war und blieb ihm ein Rätsel.
Doch seine wirkliche Sorge galt in diesem Moment nur der Frage, ob jemand den Zwischenfall bemerkt hatte. Er horchte angespannt; zu seiner Beruhigung klangen die Geräusche, die durch die schwere Plane gedämpft hereindrangen, nach unaufgeregter Routine. Der Einfüllstutzen klapperte blechern an der Tanköffnung, dann gurgelte der einströmende Treibstoff. Als der Tank endlich gefüllt war, wechselte Chantal noch einige Worte mit dem Soldaten, bevor die Tür des Fahrerhauses zuschlug und der Motor röhrend ansprang.
Kaum hatte sich der Lastwagen schwerfällig in Bewegung gesetzt und rollte über das holperige Pflaster, da ging Dünnbrot unter wüstem Gebrüll auf Smith los. Er
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