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Im Jahre Ragnarök

Titel: Im Jahre Ragnarök Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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der Rebellion stand und dass Tropfen kalten Schweißes über seine Stirn rannen.
Ich muss zum Königstein! , war sein erster klarer Gedanke. Nur dort konnte er jetzt noch Beweise für seine Entdeckungen sammeln.
Aber wo lag der Königstein? Tubber blickte auf die abrückenden Lastwagenkolonnen.
Sie verließen die Stadt in Richtung Süden.
Sie fuhren direkt in das von Milzbrand verseuchte Sperrgebiet.

»Es ist Irrsinn«, beharrte Chantal.
Tubber, der sich vorsichtshalber noch einmal vergewisserte, dass die Kamera nun auch wirklich einsatzbereit war, verdrehte entnervt die Augen und fragte: »Haben Sie einen besseren Plan?«
»Nein, habe ich nicht«, entgegnete Chantal mit ärgerlichem Trotz. »Aber das ist schließlich auch nicht mein Beruf. Sie sind hier der Geheimagent. Erwarte ich etwa von Ihnen, dass Sie wissen, wie man einem schwitzenden Schwachkopf einen bläst?«
Der derbe Vergleich raubte Tubber für einen Moment die Worte, sodass er nicht fähig war, etwas zu erwidern. Doch er wusste, dass sowieso nichts, das er hätte sagen können, auch nur das Geringste an Chantals Haltung geändert hätte.
Sie standen am südlichen Rand Pirnas, wo sie den Lastwagen im Schutz eines dicht verfilzten Gehölzes verborgen hatten. In Sichtweite von ihnen, keine hundert Meter entfernt, standen einige der verwitterten gelben Warnschilder, die den Beginn des Milzbrand-Sperrgebiets markierten. Doch Tubber war längst überzeugt, dass das Gelände, das jenseits dieser Schilder lag, keinesfalls verpestet war. Die gesamte Verseuchung musste ein groß angelegtes Täuschungsmanöver sein, das die Nazis zweifellos noch vor dem Ende des Krieges gezielt lanciert hatten, um sich eine sichere Operationsbasis für die Zeit nach der unabwendbaren Niederlage zu schaffen. Ein Ort, an den sich niemand traute und an dem sie deshalb ungestört sein würden. Von Milzbrand war dort mit Gewissheit keine Gefahr zu erwarten, das bestritt nicht einmal der sonst ewig zweifelnde Kommissar Dünnbrot.
Dafür jedoch war eine andere Gefahr gar nicht groß genug einzuschätzen. Mit Sicherheit befanden sich dort Hunderte von Kämpfern, vermutlich allesamt bestens bewaffnet und ausgebildet. Sie wussten bestimmt, wie man mit tödlicher Effizienz die wenigen Eindringlinge eliminierte, die sich nicht durch die Furcht vor dem Milzbrand abschrecken ließen.
Doch das Überwinden solcher Hindernisse, machte Tubber sich noch einmal klar, war letztlich ja genau das, wofür die Regierung Ihrer Majestät ihn ausgebildet hatte. Er hängte sich die Kameratasche um und trennte die Seite mit dem Elbtal aus dem amerikanischen Straßenatlas. Zwar taugte die in großem Maßstab gehaltene Karte als Orientierungshilfe nicht viel, doch wenigstens waren auf ihr der Ort Königstein und die gleichnamige Festung verzeichnet. Das war besser als nichts.
Dünnbrot steckte den schweren Colt ein, den er Smith abgenommen hatte. »Warum wollen Sie überhaupt, dass ich mitkomme?«, wollte er wissen. »Bei diesem Ausflug in den Hades kann ich Ihnen ja wohl kaum von Nutzen sein.«
»Da irren Sie sich«, widersprach Tubber und hängte die Kameratasche am Riemen über die Schulter. »Vier Augen sehen immer mehr als zwei. Was mir entgeht, bemerken Sie möglicherweise. Das ist für mich Grund genug, Sie mitzunehmen.«
Einen weiteren Grund, der ihm selbst nicht ganz geheuer war, verschwieg er.
Er hatte nämlich das Gefühl, dass er Dünnbrot einfach mitnehmen musste . Wieder war ihm, als könne er nur wiederholen, was schon einmal geschehen war. Nur war dieser Eindruck mittlerweile stärker als je zuvor.
Während Tubber ein letztes Mal seine Pistole kontrollierte, umarmten sich Chantal und Dünnbrot und küssten sich so innig, als rechneten sie damit, sich nie wiederzusehen. Tubber wandte sich rasch ab, teils aus Diskretion, teils, weil er fürchtete, an Ingrid erinnert zu werden. Er musste seine Sinne beisammenhalten und durfte sich nicht durch persönlichen Schmerz ablenken lassen.
»Sie wissen, was Sie tun sollen, falls wir bis morgen früh um sieben nicht zurück sind?«, fragte er Greta, die bislang wortlos am Kotflügel des Lastwagens gelehnt und mit besorgter Miene die Vorbereitungen zum Aufbruch verfolgt hatte.
Sie nickte. »Wir werden alles versuchen, die Amerikaner auch ohne Beweise zu alarmieren. Aber ob wir das schaffen ...«
»Es wird bestimmt nicht nötig sein«, meinte Tubber zuversichtlich und lächelte kurz. Er hatte Greta und Chantal alles erzählt, was seit seiner Ankunft in Hamburg

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