Im Jenseits ist die Hölle los
sofort, kaum dass sie das Zeitliche gesegnet haben, befriedigen. Vor allem Jugendliche sausen los, um nackte Frauen zu beobachten, oder sie verfolgen mit staunenden Augen, was in den Zimmern der Bordelle geschieht. Dann wieder gibt es ein ganzes Heer von Geistern, die grenzenlosen Gefallen daran finden, Berühmtheiten wie Staatsmänner, Schriftsteller, Bischöfe und andere illustre Personen zu Hause zu beobachten. Sie wollen sehen, wie der Premierminister im Schaumbad liegt, und führen sorgfältig Buch über dessen Sexualleben mit seiner Gattin. Wenn der Erzbi schof auf die Toilette geht, folgen ihm jedes Mal mindes tens zehn frisch verstorbene Matronen, die sich nicht genug darüber wundern können, dass Ehrwürden die ses Geschäft ebenso irdisch erledigt wie jeder x-beliebige andere. Wenn sich Präsident Kekkonen rasiert, beo bachtet ihn eine Legion neugieriger Frischverstorbener, und wenn der Schriftsteller Väinö Linna seinen Bar schrank öffnet, verfolgt eine ganze Geisterarmee mit angehaltenem Atem jede seiner Handbewegungen und jeden Schluck, den er nimmt.
Ist die Neugier dann befriedigt, lässt man die Be rühmtheiten in Ruhe, aber es sterben ja immer wieder Menschen, die wissen möchten, was die großen Männer der Nation im Privatleben so treiben.
Wir Tote unterhalten uns oft über die sonderbaren heimlichen Gewohnheiten der Menschen. So hat man mir erzählt, dass es durchaus nichts Außergewöhnliches ist, wenn sich zum Beispiel eine Büroangestellte abends nach der Rückkehr von der Arbeit nackt auszieht und vor einem großen Spiegel tanzt. Da ist es dann kaum noch eine Überraschung, wenn die junge Dame, die zufällig drei fette Katzen besitzt, sich zwei davon unter die Arme und die dritte zwischen die Beine klemmt und so, mit den Tieren am Körper, weitertanzt, dass das Fell nur so stiebt. Verwundern mag höchstens noch die Tatsache, dass die Katzen gelernt haben, das alles zu mögen. Sie sitzen am Nachmittag schon hinter der Tür und maunzen in Erwartung ihres heimkehrenden Frau chens und des Moments, da sie in ihre Achselhöhlen oder gar an den Platz zwischen ihren Beinen gelangen, um sich im Takt des Tanzes zu wiegen.
Oder ein anderer Fall: In Vuosaari wohnt ein seltsa mer Typ, der sein Schlafzimmer als öden Kerker einge richtet hat. Er lebt allein, so wie auch langjährige Häft linge keine Gesellschaft haben. Also muss er von Zeit zu Zeit seinen eigenen Wärter spielen. Er bereitet sich armseliges Essen zu, dem er den Geschmack von Ge fängniskost zu geben versucht. Mit unfreundlichem Knurren knallt er den Napf mit der elenden Mahlzeit auf den eisenbeschlagenen Tisch in der Zelle, verlässt diese polternd, um gleich darauf wieder hineinzuschlüpfen und sich lustlos ans Essen zu machen. Ab und zu rüt telt er verzweifelt an den Gitterstäben, die er an seine Schlafzimmertür geschweißt hat. Oder er betrachtet sich selbst durch den Spion; denn dahinter, auf der anderen Seite der Tür, hat er eine Spiegelscherbe angebracht, sodass ihn durch die Öffnung immer das düstere Auge des Wärters anstarrt. Insgesamt fühlt er sich in seinem Gefängnis außerordentlich wohl, obwohl er sich das natürlich nicht eingesteht, denn dann gingen die Au thentizität und der damit verbundene Genuss verloren. Er kleidet sich in Häftlingskluft, klebt an die öden Wän de seiner Zelle Bilder, die er aus Männermagazinen ausgeschnitten hat, und wenn ihm der Betonfußboden des Zimmers zu rau und kalt wird, verlangt er lautstark nach Abhilfe. Manchmal schaut er durch das vergitterte Fenster auf den Hof hinaus, dann werden seine Augen feucht vor grenzenloser Sehnsucht nach Freiheit, und er fühlt sich außerordentlich glücklich. Von Zeit zu Zeit schreibt er Klagebriefe an die Außenwelt, zensiert sie aber selbst so stark, dass nie jemand von seinem Schicksal erfährt. Leider kann er nicht ganztags im Gefängnis sitzen, denn er arbeitet als Dozent an der Helsinkier Universität. Er ist bekannt für seine ausge zeichneten Vorlesungen. Doch er träumt von seiner Pensionierung, wenn er sich endlich zu lebenslanger Haft verurteilen kann, deren Vollstreckung er gewissen haft überwachen wird.
In den USA lebt ein Mann – und erfreut sich bester Gesundheit –, der sich darauf spezialisiert hat, sich selbst starke Stromschläge zu versetzen. Er hat sich einen hoch empfindlichen Transformator angeschafft, an dem sich die verschiedensten Messgeräte und außerdem entsprechende Vertiefungen
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