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Im Jenseits ist die Hölle los

Titel: Im Jenseits ist die Hölle los Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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spürt auch der Geist, allerdings sind die Symptome nur sehr leicht, während der Körper in dieser Phase bereits ziemlich übel aussieht.«
    Das also war die Ursache des Kribbelns. Im Lichte dieser Erkenntnis begann ich mein Befinden genauer zu beobachten, und so wurde der Verwesungsprozess zu einer sehr interessanten Zeit.
    Die Verwesung des menschlichen Körpers dauert ins­ gesamt ziemlich lange. Ich konnte feststellen, dass zuerst der Bauch mit den inneren Organen verfault, dann folgt das Gehirn und zum Schluss die Gliedmaßen. In den Knochen und im Mark kribbelte es mir so gut wie nicht, woraus ich schloss, dass die Maden dort noch nicht knabberten. Im Laufe der Jahre würde jedoch auch das irgendwann der Fall sein. Ich durfte dann nur nicht außer Acht lassen, dass es sich um den Verwe­ sungsprozess handelte, und nicht etwa annehmen, es sei ein Anfall von Rheumatismus oder Gicht.
    Jedenfalls rief mir all dies mein Grab in Erinnerung, in dem der Verwesungsprozess vor sich ging, und ich beschloss, mal wieder nach meiner letzten Ruhestätte – oder vielmehr dem Ort meiner Verwesung – zu sehen. Mich interessierte, ob das Grab mit der nötigen Pietät gepflegt wurde, ob es mit Blumen geschmückt und geharkt worden war und ob meine Witwe bereits einen Grabstein besorgt hatte.
    Vor Ort präsentierte sich mir mein Grab in leidlichem Zustand. Auf dem Hügel wuchs kein Unkraut, was nicht viel hieß, denn es war Spätherbst, und bei dieser kalten Witterung wuchs selbst an ungepflegten Stätten keines. Blumen standen auch dort, allerdings wohl schon eine ganze Weile. Sie waren verwelkt und ließen die Köpfe hängen, es waren rote Nelken in einem Plastikgefäß. Der Wind hatte sie gezaust, sodass sie ziemlich erbärmlich aussahen. Ich schätze, dass etwa vor zwei Wochen zuletzt jemand dort gewesen war.
    Ein Grabstein war nicht vorhanden. Wer weiß, ob ü­ berhaupt einer bestellt worden ist, dachte ich verärgert. Am besten kümmerte man sich selbst um diese Dinge, dann wurden sie wenigstes nicht vergessen. Würde mein Grab weiter so nachlässig gepflegt, wollte ich nicht wissen, welchen Anblick es im nächsten Sommer bieten würde. Wieder einmal kam es mir vor, als sei ich um­ sonst gestorben.
    Ziemlich ungehalten beschloss ich, zu Hause nachzu­ sehen, was meine Witwe trieb, da sie es nicht für nötig hielt, häufiger mein Grab zu besuchen, obwohl nach meinem Tod noch nicht viel Zeit vergangen war. Alle anderen Witwen gehen während der ersten Monate fast täglich zum Grab ihres Mannes, dachte ich wütend.
    Meine Witwe sah blendend aus, das musste ich ein wenig verärgert zugeben, als ich sie im Wohnzimmer beobachtete. Sie wischte Staub, summte vor sich hin, stellte Blumen in eine Vase. Hier standen die Dinger rum, aber zu meinem Grab wurden keine gebracht!
    Anscheinend erwartete sie einen Gast. Sie stellte eine Weinflasche bereit, dann holte sie aus der Küche Käse­ häppchen und arrangierte sie auf dem Tablett, das ich ihr im vorigen Jahr zu Weihnachten gekauft hatte.
    Ich betrachtete all die vertrauten und lieb gewordenen Gegenstände um mich herum. Mein Schreibtisch stand noch an seinem Platz, die Schreibmaschine aber war fort. Ob meine Witwe sie verkauft hatte? Aus der Flur­ garderobe waren alle meine Sachen verschwunden, das war irgendwie erschreckend. An den Bügeln hingen Kleidungsstücke meiner Witwe, und zwar in reichlichen Mengen, sie hatte ihre Garderobe großzügig ergänzt, natürlich mit der neuesten Herbstmode.
    Auf dem Bücherregal lag wie eh und je mein verstaub­ tes astronomisches Fernrohr. Damit hatte ich die Sterne am Himmel betrachtet, auch diesen und jenen Planeten vor die Linse bekommen. Als ich in den Erinnerungen an mein früheres Hobby schwelgte, fiel mir auf, dass ich die dabei gewonnenen Erkenntnisse nutzen konnte, um die einzelnen Abschnitte der Milchstraße zu besuchen, ohne Angst haben zu müssen, mich zu verirren, denn viele Sternbilder waren mir vertraut. Ein eindeutiger Vorteil gegenüber denen, die sich in religiösem Eifer auf das Jenseits vorbereitet hatten. Schon oberflächliche Kenntnisse vom Weltall helfen dem Toten, dort herum­ zureisen, während für theologisches Wissen eigentlich keine Verwendung besteht.
    Unter meinem Schreibtisch entdeckte ich meine Pan­ toffeln, die dort noch standen. Es rührte mich, sie zu sehen, der Anblick erwärmte mein Herz und meine Füße.
    Meine Witwe ging unterdessen ins Badezimmer, um sich zurechtzumachen. Sie strich sich vor dem

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