Im Jenseits ist die Hölle los
nachdem sie das Zeitliche gesegnet hatte?
Manchmal wurde ich unruhig: Was, wenn doch noch irgendeine Wundermedizin gefunden würde? Die Patien tin würde genesen, das Krankenhaus verlassen, im Menschengewühl verschwinden und womöglich erst irgendwann mit achtzig sterben!
Aber sie wurde weiterhin von Tag zu Tag schwächer, und damit legte sich meine Unruhe. Hier war wohl nichts mehr zu befürchten, der Abgang war unvermeid lich, oder besser die Ankunft, aus meiner Sicht betrach tet. Wie glücklich war ich doch, bald würde der Tod meine Liebste holen! Sie war bereits so schwach, dass sie nicht einmal mehr die Hand heben, geschweige denn etwas essen konnte. Sie wurde immer schmaler, magerte aber nicht ganz bis auf die Knochen ab und sah so noch hübscher aus.
Die Angehörigen kamen ein letztes Mal zu Besuch. Nervös wartete ich in einiger Entfernung auf das Ende der Verabschiedung. Bald käme ich an die Reihe. Ich beschloss, mich ihr sofort nach dem Tod vorzustellen, sodass sie vor mir niemand anderem begegnen konnte. Ich wusste, dass der Erstschlag in diesen Dingen ent scheidend ist, die, die später kommen, haben schlechte re Karten. Deshalb blieb ich in der letzten Phase auch nachts an ihrem Bett sitzen, damit sie ja nicht unbe merkt sterben und in meiner Abwesenheit sonst wohin schweben konnte.
Während dieser allerletzten Phase kam Propst Hin nermäki in die Klinik und erzählte, dass der Papst er neut in Helsinki gewesen sei. Ich jagte ihn schreiend und brüllend hinaus und beschimpfte ihn, weil er mich in dieser Situation, da ich Tag und Nacht wachte und auf den Tod meiner Liebsten wartete, nicht in Ruhe ließ. Kopfschüttelnd entfernte er sich, versprach jedoch, den Papst von mir zu grüßen.
Schließlich kam der ersehnte Tag, an dem diese schö ne Kranke starb. Ich saß neben ihrem Bett und betrach tete ihr liebliches Gesicht, als sie leise seufzend ihren Geist aufgab und ihre herrlichen Augen schloss. Es war eine sehr weibliche Art zu sterben.
Nach und nach löste sich der Geist aus ihrem Körper, und bald war alles vorbei. Sie stand neben dem Bett und betrachtete ihre sterbliche Hülle, schüchtern und unsi cher. Ich ging behutsam zu Werke, stand vorsichtig auf und stellte mich ihr vor. Dann sagte ich:
»Seien Sie ganz ruhig. Ich erzähle Ihnen gleich, was los ist. Sie sind nur gestorben, mehr ist nicht passiert.«
15
Mit großen Augen betrachtete sie ihren toten Körper. »O mein Gott«, stöhnte sie schließlich. Ich versuchte sie zu beruhigen und erzählte ihr, dass
auch ich gestorben sei, allerdings bereits im Herbst. Ich sei Journalist gewesen und von einem Auto überfahren worden, und jetzt sei ich zufällig hier gewesen, als sie im Sterben lag.
»Es widerstrebt mir zu denken, dass ich nun tot sein soll«, sagte sie, während sie ihren Geist im Spiegel des Krankenzimmers betrachtete. Sie versuchte sich zu kneifen, um herauszufinden, ob sie noch etwas fühlte, und da sie keinen Schmerz verspürte, kam sie auf die Idee, dass vielleicht alles nur ein Traum sein könnte. Ungläubig sah sie mich an und sagte:
»Vielleicht lügen Sie mich an… und ich träume nur.« »Nein, Sie sind tot, leider. Wenn Sie mir nicht glau
ben, beugen Sie sich doch über Ihren Körper und über zeugen Sie sich, dass er nicht mehr atmet.«
»Huch! Sie haben wohl Recht«, sagte sie, nachdem sie festgestellt hatte, dass ihr Körper, der im Krankenbett lag, keine Lebenszeichen mehr von sich gab. »So also ist es hier. Ich hatte mir das Leben nach dem Tod anders vorgestellt.« Sie war immer noch ziemlich fassungslos, das konnte man ja verstehen. Der Mensch stirbt nur einmal im Leben, und das ist für die meisten eine au ßerordentlich einschneidende Erfahrung. Später folgt dann nur noch, dass man sich in Luft auflöst.
Ich begann meiner frisch verstorbenen Liebsten die Gegebenheiten im Jenseits zu erklären. Sie lauschte aufmerksam, stellte auch einige Fragen mit ihrer schö nen, klangvollen Stimme und sah mich freundlich an. Ihr Geist war noch hübscher als ihr verstorbener Kör per, das jenseitige Leben verlieh ihm eine gewisse Fri sche, denn die Krankheit peinigte ihn nicht länger. Ich erzählte ihr, wie sie sich von nun an fortbewegen, was sie fühlen, betrachten, riechen konnte.
»Kann ich mich irgendwo umziehen?«, fragte sie und zeigte auf den altmodischen Krankenhauspyjama, den sie im Tod anbehalten hatte.
Leider musste ich ihr mitteilen, dass es nun keine Ge legenheit
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