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Im Jenseits ist die Hölle los

Titel: Im Jenseits ist die Hölle los Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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verstand sich gleich sehr gut aufs Schweben. Sie wollte mich bei der Hand halten, was natürlich nicht klappte:
    »Du bist ja nur Luft«, stellte sie fest. Wir wandelten durch Kaivopuisto. Elsa wollte alles
    Mögliche wissen:
    »Werden wir jemals wieder hungrig?« »Nie mehr«, erklärte ich.
    »Dann brauche ich auch nie zur Toilette zu gehen?« »Nein, es sei denn, du willst einfach nur so hin, ohne
    eigentlichen Anlass.«
    Elsa dachte kurz nach.
    »Und haben wir denn auch keine… Gelüste mehr?« Ich betrachtete das hübsche Persönchen und musste
    mir eingestehen, dass wir durchaus noch Reste von Gelüsten hatten. Laut aber sagte ich:
    »Mir scheint, dass man hier keine größeren Gelüste oder Begierden kennt. Ich habe zwar gehört, dass im Leben häufig alkoholisierte Personen zunächst mit trockener Kehle herumlaufen, aber auch die Gier aufs Trinken verebbt bald. Und bei den ärgsten Säufern ist das Gehirn sowieso dermaßen vom Schnaps zerfressen, dass sie nicht lange hier verweilen, sondern sich in alle Winde verflüchtigen. Die Gourmets und Schlemmer haben wahrscheinlich die größten Probleme, wenn sie irgendwelche Leckerbissen sehen, aber nichts essen können.«
    An der Spitze von Kaivopuisto blieben wir stehen und betrachteten das Meer, das grau und mächtig im Spät­ herbst wogte. Wir standen lange schweigend da, Elsa schien über etwas nachzudenken. Dann blickte sie mir in die Augen, und ich sah, dass sie unendlich traurig war. Sie weinte. Mir wurde schwer ums Herz, ich wusste nicht, wie ich sie trösten sollte. Ich bat sie, mir von ihrem Kummer zu erzählen, vielleicht würde das helfen. Mit herzzerreißender Stimme sagte sie, dass sie erst jetzt richtig begriffen habe, was mit ihr geschehen sei, dass sie wirklich tot sei, endgültig und unwiderruflich.
    »Ich beweine nicht so sehr meinen eigenen Tod, ich finde es nur so schrecklich, dass ich all meine Angehöri­ gen und Freunde verlassen musste. Meine Eltern leben noch, für sie ist das bestimmt furchtbar schwer. Wie sollen sie es ertragen, so alt, wie sie sind? Ich bin schrecklich unglücklich, wenn ich mir vorstelle, wie sie mich großgezogen haben und wie sie nun, da ich tot bin, um mich trauern. Das ist alles so ungerecht.«
    Sie blickte mit tränennassen Augen aufs dunkle Meer, schluckte und wirkte so verzweifelt, dass ich plötzlich über mich selbst entsetzt war: Ich hatte den ganzen Herbst hindurch gehofft und gebetet, dass sie stirbt, und das nur, damit ich ihr begegnen konnte. Jetzt war sie tot, ich konnte zufrieden sein, aber zugleich war sie ihren Eltern und ihren Freunden entrissen worden, die sich deswegen die Augen aus dem Kopf weinen würden. Ich schämte mich für meinen Egoismus, mir stieg ein Kloß in die Kehle, und es überlief mich heiß. Ich wünschte mir, dass ich irgendwie bestraft würde, aber nichts geschah. Diese Augenblicke am Meer, meine Scham und Reue, würden mir für immer in Erinnerung bleiben, und ich glaube, dass ich durch dieses Erlebnis geistig sehr reifte.
    Erschüttert tröstete ich Elsa, die mich anlächelte, ohne zu ahnen, dass ich ihren Tod gewünscht hatte. Ihr Anblick zerriss mir das Herz.
    16
    Am Abend ließ der Schneefall nach, und ein weißer Vollmond stieg hinter der Festung Suomenlinna aus dem Meer. Sein Licht ließ die verschneiten Wege und bereiften Bäume von Kaivopuisto erstrahlen. Elsa und ich wanderten durch den schimmernden Park und betrachteten das kalte Meer. Die Wellen hatten sich geglättet, und über ihnen zitterte eine silberne Mond­ brücke, die mal in tausend Lichtflecke zerfiel, dann wieder für kurze Zeit einen glänzenden Himmelsweg bildete.
    Ich starrte gedankenvoll auf den Mond. Es war nicht das erste Mal, dass ich ihn gemeinsam mit einer schönen Frau betrachtete. Ein Verliebter sieht im Mond einen Verbündeten, dessen ferner Glanz verzaubert und empfindsam macht. Im kalten Mondlicht wird dem Menschen warm, und wenn zwei Menschen zusammen sind, teilen sie ihre Wärme miteinander. Der übergroße Teil aller Heiratsversprechen ist wahrscheinlich bei Vollmond zustande gekommen, sagte ich mir.
    Derart sensibilisiert, machte ich Elsa den Vorschlag, sie auf den Mond zu führen. Ich erzählte ihr, dass ich noch nie dort gewesen sei, dass ich aber gerade jetzt Lust darauf hätte. Die Reise würde ungefährlich für uns sein, da der Mond weithin sichtbar vom wolkenlosen Nachthimmel schien. Elsa sah mich sanft an, nickte schweigend, und so machten wir uns auf den Weg.
    Wenn man sich mit

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