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Im Jenseits ist die Hölle los

Titel: Im Jenseits ist die Hölle los Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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der oberen Etage des Palastes auf ein leeres Sofa. Um uns herum herrschte hektische Betrieb­ samkeit, ein halbes Dutzend Büroangestellter saß an Schreibtischen, auf denen sich Aktenberge türmten, die vielen Telefone klingelten pausenlos. War dieses Gebäu­ de vielleicht das Innenministerium? Oder das Haupt­ quartier der Polizei? Vor den Türen des Palastes tauch­ ten tatsächlich kurz einige Polizisten auf, hauptsächlich liefen jedoch Militärs und Zivilisten in dem Gebäude herum. Der ganze Trubel wirkte auf uns Tote und Orts­ fremde völlig unbegreiflich. Ich sagte zu dem Mütter­ chen, dass sich, aus alldem zu schließen, in der Tat gerade eine Revolution vor unseren Augen abspielte.
    »Nee, das ist keine richtige Revolution. Ich sehe kei­ nen Sozialisten, wirklich keinen einzigen. Hier läuft bestimmt bloß ein Militärputsch, glaub mir altem Revo­ lutionsweib, Söhnchen.«
    Der schwarzhaarige Oberst sah auf seine Armband­ uhr, die mit dem dicken Gehäuse, dem komplizierten Zifferblatt und der Digitalanzeige wie eine Taucheruhr wirkte. Das Khakihemd des Obersts war auf dem Rü­
    cken und unter den Achseln schweißnass, er bemerkte es und zog die Uniformjacke an. Dadurch wurde ihm noch heißer, aber er ertrug es. Er hatte jetzt eine schwierige Mission zu erfüllen und war äußerst beschäf­ tigt, wirkte aber weder nervös noch ängstlich. Immer neue Namenlisten wurden bei ihm abgeholt und die ersten mit Anmerkungen versehen bereits wieder zu­ rückgebracht. Viele Namen waren durchgestrichen, hinter einigen stand ein Fragezeichen, die meisten wa­ ren einfach abgehakt. Die Jagd war in vollem Gange.
    In der Stadt läuteten die Kirchenglocken. Menschen rannten durch die Straßen, auf der Flucht vor den Sol­ daten, die in die Luft schossen. Panzer dröhnten, aus den Außenbezirken waren vereinzelt Granatwerfer zu hören. Das Knattern der Maschinengewehre drang durch die Fenster bis ins Innere des Palastes. Dort trank der Oberst ein wenig kalten Kaffee und ging dann auf die Toilette, wo er sich am Kinn einen Pickel ausdrückte, der offenbar in der Hitze juckte. Anschließend pinkelte er rasch ins Waschbecken. Die Hände wusch er sich nicht; wahrscheinlich fand er es unhygienisch, sich die Hände in einem Becken zu waschen, in das er gerade uriniert hatte.
    Bald war die Stadt völlig menschenleer, nur streu­ nende Hunde und Soldaten wagten sich noch auf die Straßen. Die Hunde begriffen nichts von den Vorgängen, sie begannen nervös zu heulen, rannten ziellos durch die Gegend und wussten nicht, wohin. Einer der Köter geriet unter einen Panzer, er jaulte auf, und damit wa­ ren seine Probleme gelöst: Einen kurzen Moment noch winselte die rennende Hundeseele auf der Straße und löste sich dann in Luft auf. Abends, nach Eintritt der Dunkelheit, ertönten auf dem Hof des Palastes Schüsse. Anscheinend wurden dort verhaftete Bürger hingerich­ tet. Wenn man das Ohr an die Klimaanlage legte, konnte man aus dem Keller des Palastes Schreie hören: In den Tiefen des Gebäudes wurden Menschen gefoltert; auf die Opfer wurde unbekümmert eingeschlagen, dass die Räume nur so dröhnten.
    Der Oberst begab sich auf seinen erleuchteten Bal­ kon, um Eistee zu trinken, und das Mütterchen und ich folgten ihm. Wir hatten vorher noch im Park beobachten können, wie im Licht von Scheinwerfern drei Männer erschossen wurden. Das Mütterchen sagte mit müder Stimme:
    »Hast du gesehen, Söhnchen, wie traurig die Seelen zum Himmel schwebten, nachdem die armen Männer wie Vieh abgeknallt wurden? Sie werden nach dem Tod noch lange klagen, werden gar nicht begreifen, was passiert ist. Es tut so weh anzusehen, wie all die Men­ schen abgeschlachtet werden.«
    Als der Oberst seinen Tee getrunken hatte, kehrte er in den Saal zurück, und wir beiden Geister ließen ihn nicht aus den Augen. Das Mütterchen zeigte auf den Oberst:
    »Ich werde den Kerl noch lehren. Wirst sehen, was ich alles fertigkriege.«
    Der grausame Mann war müde. Er seufzte schwer und legte sich dann auf das goldverzierte Sofa, das im iberischen Stil des ausgehenden neunzehnten Jahrhun­ derts gehalten, jedoch ziemlich neu war. Der Oberst streifte seine Stiefel ab und schloss die Augen, die Brille behielt er auf der Nase. Das karelische Mütterchen geriet vollends in Zorn, als sie sah, dass der Oberst mitten im blutigsten Putsch ein Nickerchen machen wollte. Sie sprang mit beiden Füßen vor dem Sofa herum und schrie den schlafenden Mann an:
    »Hoch mit

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