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Im Jenseits ist die Hölle los

Titel: Im Jenseits ist die Hölle los Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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immer wieder kräftige Faustschläge ins Gesicht, es war ein Wunder, dass er nicht zusammenbrach. Vor der Tür einer kleinen Kirche beschimpfte ein Polizeioffi­ zier lautstark einen nervösen jungen Priester, er zeigte auf ihn und auf den Himmel, schrie mit rotem Gesicht, packte den Geistlichen sogar am Ärmel und hörte nicht zu, als dieser etwas erklärte. In einem engen Slum hin­ ter der Kirche prügelten sich kleine Jungen um einen Eimer braunen Wassers; das Plastikgefäß kippte um, und grässliches Heulen klang durch die schmutzigen Straßen. Hinter einem Haus röchelte ein mageres Schwein in den letzten Zügen, denn ein schwarzbärtiger Dieb hielt es an den Ohren hoch und schlitzte ihm die Kehle auf, dann schleuderte er die Eingeweide in die Ecke, wickelte die Beute in eine Decke und flüchtete gebückt durch das Labyrinth der Gassen. Hungrige Hunde leckten sofort die wenigen Blutstropfen auf, die aus der Kehle des Schweins auf den Boden getropft waren.
    Nach all diesen Beobachtungen sagte das Mütterchen mit gebrochener Stimme:
    »Ich will mir das nicht länger mit ansehen, es zerreißt mir das Herz. Selbst auf dem Mond ist es besser bestellt als hier auf der Erde. Wie sollen diese armen Leute nur zurechtkommen? Wäre ich noch am Leben, würde ich ein kleines Nahrungsmittelpaket oder vielleicht ein paar Rubel herschicken. Aber ich bin tot, und du auch, mein armes Jungchen. Such du mal nach deinem Mädchen, und dann seht ihr zu, dass ihr euch wieder vertragt. Klein ist der Kummer der Toten im Vergleich zu den Nöten der Lebenden.«
    19
    »Aijaij, welche Pracht«, rief das Mütterchen, als wir am Nachmittag das Regierungsviertel von La Paz betraten.
    Ein paar Panzer fuhren an uns vorbei und bogen in einen Park ein, der einen großen, prächtigen Palast umgab. Aus dem Park drang leises Dröhnen herüber, als Panzermotoren aufgewärmt wurden. Blaue Auspuff­ gase schwebten über den Edelhölzern; in der heißen Sonnenglut blitzten die blanken Helme der Soldaten. Die alte Karelierin bewunderte das schöne Gebäude, es erinnerte sie an das Winterpalais von Leningrad, wenn es auch kleiner war.
    »Welcher Kaiser mag dort wohnen? In jedem Fall hat er viele Leibwächter, schau mal… Hier hat es wohl noch keine Revolution gegeben so wie bei uns in Russland. Aber nach dem, was wir von diesem Land gesehen ha-ben, dauert es nicht mehr lange, und der hiesige Kaiser wird ebenfalls gestürzt. Grund genug gibt es dafür, oder was meinst du, Söhnchen?«
    Ich dachte an die Situation in Lateinamerika, dann plötzlich an Elsa und an Finnland… und wieder an dieses Amerika, und ich gab zu, dass das Mütterchen Recht hatte. Hier war in der Tat eine Revolution nötig, und das dringend und sofort. Aber wie sollte das Volk an die Macht gelangen, wenn es mit Panzern unter­ drückt wurde?
    Neben diesen Sorgen der lebenden Menschen kam mir mein eigener Kummer mit Elsa beschämend nichtig vor. Hielt ich, ein gesunder – wenn auch toter – finnischer Mann, es wirklich für angemessen, meinen Liebeskum­ mer zu pflegen, während sich die Menschheit in Qualen wand und Millionen weltweit im Elend dahinsiechten? Auf Erden gab es wirklich einiges, was in Ordnung gebracht werden musste.
    Auf dem Balkon des Palastes stand ein bebrillter, kleiner und stämmiger Oberst; sein Haar klebte glatt am Scheitel, sodass es eine Art schwarz glänzender Mütze bildete. Um ihn herum wuselten Militärs und Zivilisten. Die Männer sprachen schnell und erregt miteinander. Im Park trafen weitere Panzer ein, Soldaten sprangen von Lastwagen, Befehle ertönten. All das kam mir ziem­ lich ungewöhnlich vor, sogar für bolivianische Verhält­ nisse.
    Das Mütterchen und ich begaben uns auf den Balkon, um die Situation zu studieren. Wir stellten fest, dass der Platz dort oben eine Art Kommandozentrale war, wo der Oberst seine Anweisungen gab. Drinnen im Palast wur­ den Listen geprüft, auf denen die Namen Hunderter Personen verzeichnet waren. Die Listen wurden fotoko­ piert und dann dem Oberst vorgelegt, der sie unter­ schrieb und den Offizieren übergab, die mit blitzenden Tressen davoneilten, hinaus in den Park, zu ihren unge­ duldig wartenden Truppen. In kurzen Abständen fuhren aus dem Park Panzer in Richtung Stadt, ihnen folgten Jeeps und Lastwagen, alle voll besetzt mit Soldaten.
    Es schien, als sei in La Paz gerade ein Umsturz oder irgendeine innere Disziplinierung im Gange. Es wurde Jagd auf Menschen gemacht. Das Mütterchen und ich setzten uns in

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