Im Jenseits ist die Hölle los
unverrichteter Dinge zu uns zurückkehren. Das absurde Fest ging weiter, auch wenn der Geldgeber wünschte, dass Ruhe einkehrte. Arttela betrachtete niedergeschlagen die Verwüstung auf seinem Hof. Obwohl er tot war, hatte er immer noch die Nervenzuckung im linken Auge. Es war das einzige scheinbare Anzeichen von Fröhlichkeit auf seinem von Ausschweifungen gezeichneten Gesicht. Ich vermutete, dass er die Zuckung für immer behalten würde, da sie nicht einmal nach Eintritt des Todes aufgehört hatte.
Der Vollmond nach Mitternacht war klar und auf grausame Weise schön. Als wir uns an den Rand des Hofes zurückzogen, trafen wir auf Arttelas schwarze Katze, die hinter dem Kuhstall hervorkam und sich deutlich von dem schimmernd weißen Schnee abhob. Sie hielt sich ängstlich im Schatten der Wände und horchte auf den Lärm der Feiernden, ihr Schwanz zuck te wütend. Als Arttela das Tier im Schnee sah, bekam er einen Wutanfall und nahm Anlauf, um ihm einen Fuß tritt zu verpassen.
»Verfluchtes Vieh! Hier treibst du dich also rum!« Doch die Katze sauste nicht gegen die Schuppen
wand, sie hockte da und sah sich verwundert um. Artte la starrte sie eine Weile entsetzt an und vergaß sie dann. Weil er Durst bekam, versuchte er eine Hand voll Schnee aufzunehmen und in den Mund zu stecken, doch seine Hand blieb leer, weswegen er auch nur leer schlucken konnte.
Schließlich verschwand der Mond, und der Morgen kam. Die Taxis fuhren davon, das Fest war zu Ende und das Lagerfeuer auf dem Hof erloschen. Arttelas hungrige Katze leckte im Hausflur Erbrochenes auf. Hinnermäki und ich sahen, dass Arttela im Laufe der Nacht fast durchscheinend geworden war. Wir sagten uns, dass er nicht lange im Jenseits verweilen würde, der Schnaps hatte sein Hirn so zerfressen, dass für seinen Geist keine Hoffnung auf ein langes Dasein nach dem Tod bestand.
Arttela hatte sich zu Lebzeiten so um den Verstand getrunken, dass er, als gegen Mittag sein Tod entdeckt und sein Körper in einen Krankenwagen getragen wur de, nichts mehr davon mitbekam. Seine Seele hatte sich im beginnenden Frosttag verflüchtigt, sich endgültig aufgelöst. Zurück blieben nur das verwahrloste Herren haus und die Spuren, die das verkaterte Gesindel beim Aufbruch hinterlassen hatte. Am Abend nagelten Poli zeibeamte die Haustür zu, erschossen die Katze auf dem Hof und fuhren davon, um ihre Protokolle zu schreiben.
24
Nach Arttelas Tod beschloss ich, mich nach Sankt Petersburg aufzumachen, denn mir schien, dass ich Elsa in Helsinki nicht finden würde, und die vergebliche Suche begann mich zu ermüden. Ich erinnerte mich, dass sie mit einem ihrer Besucher im Krankenhaus über die Architektur Sankt Petersburgs gesprochen hatte, und so kam ich auf die Idee, den Newski Prospekt nach ihr abzusuchen.
Auf diesem breiten Boulevard liefen zwar scharenwei se Tote herum, doch Elsa traf ich auch hier nicht.
Es ergab sich jedoch, dass gerade während meines Aufenthalts eine weltweite Konferenz stattfand, deren sämtliche Teilnehmer beim russischen Roulett ums Leben gekommen waren. An der Konferenz nahmen etwa fünfzig Geister teil. Sie hatten sich im größten Salon des berühmten Hotel Astoria versammelt, der um diese Jahreszeit gewöhnlich frei war. An den langen Tischen saßen finstere Gestalten; sie sahen genau so aus, wie man sich Menschen vorstellte, die ihr Leben beim ma kabren Glücksspiel weggeworfen hatten.
Russisches Roulett zu spielen schien eine alte Sitte zu sein, denn ein beträchtlicher Teil der Anwesenden war in der Mode des vergangenen Jahrhunderts gekleidet. Natürlich waren auch jüngere Geister darunter, sogar einige, die erst unlängst gestorben waren; vermutlich hatten sie den Film Elchjagd gesehen und das darin gezeigte grausame Spiel an sich selbst ausprobiert. Die Unterhaltung an den Tischen wurde hauptsächlich auf Französisch und Russisch und, unter den jüngeren Leuten, auch auf Englisch geführt. Ziemlich viele Teil nehmer hatten einen Trommelrevolver dabei, den sie beim Sterben in der Hand behalten hatten. Über Muniti on verfügte keiner, aber manche besaßen immerhin eine Hülse, die sie zum Zeitvertreib in der Hand drehten, während sie den Vorträgen lauschten.
All diese Männer gehörten eindeutig der Oberschicht an. Sie waren vorbildlich gekleidet, vor allem die, die aus früheren Zeiten stammten. Ich sah zahlreiche junge, schmucke Offiziere. Frauen waren nicht unter den Teilnehmern, woraus sich schließen ließ,
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