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Im Jenseits ist die Hölle los

Titel: Im Jenseits ist die Hölle los Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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dass russi­ sches Roulett hauptsächlich von Männern praktiziert wurde. Warf man einen Blick in die Runde, fiel auf, dass die Roulett-Opfer allesamt gelangweilte Müßiggänger mit stechendem Blick waren. Ich entdeckte keinen einzigen Arbeiter oder armen Menschen. Wahrscheinlich begehen solche Leute nicht aus purem Jux Selbstmord, und falls sie sich umbringen, nehmen sie den Strick oder gehen ins Wasser. Ein mit Mühsal beladener Mensch ist nicht verwegen, er spielt nicht mit dem Leben, das er trotz aller Schwierigkeiten für kostbar hält.
    Die Teilnehmer dieser Versammlung hatten jedoch genau das getan, und sie schienen nicht sehr zu bereu­ en, dass das Spiel für sie tödlich geendet hatte. Sie akzeptierten die Regeln und schienen ihre Charakter­ schwächen für äußerst ehrenhafte Eigenschaften zu halten. Allerdings beklagten sie im Gespräch, dass das Spiel in den meisten Fällen bereits nach dem ersten Schuss geendet hatte: Die Mitspieler hatten auf eine Fortsetzung verzichtet und waren so am Leben geblie­ ben. Im Angesicht des Todes denken eben auch die besten Freunde nur an sich selbst, das wurde im Salon des Hotel Astoria immer wieder betont.
    Ich lernte auf der Konferenz einen jungen Leutnant der Kavallerie kennen, der sich irgendwann zu Beginn des letzten Jahrhunderts in Sankt Petersburg eine Kugel in den Schädel gejagt hatte. Er sprach ein wenig Fin­ nisch, denn sein Vater hatte eine Jagdhütte in Lappeen­ ranta besessen. Zum Zeitpunkt seines Todes war er knapp über dreißig und bereits ein rechter Nichtsnutz, Säufer und Müßiggänger gewesen. Als er nach allen Regeln bestattet worden war, hatte sein Vater, ein alter Oberst des Zaren, zufrieden geäußert:
    »Es ist einfach großartig, dass mein lieber Sohn Sergej schon in so jungen Jahren den Einfall hatte, sich zu erschießen.«
    Sergej erzählte mir, dass im Laufe der Zeit Tausende Opfer des russischen Rouletts im Jenseits aufgetaucht waren. Als ich verwundert fragte, warum dann die An­ zahl der Teilnehmer an dieser Konferenz so gering sei, erklärte er:
    »Du weißt ja sicher, dass sich die Geister der meisten Toten alsbald verflüchtigen… Aus irgendeinem Grund wandere ich immer noch hier herum. Meine Mutter und meine finnische Amme pflegten zu sagen, dass ich ein intelligenter Bursche mit schneller Auffassungsgabe, nur leider auch boshaft und faul gewesen sei.«
    Sergej berichtete noch, dass im Übrigen ziemlich viele seiner Schicksalsgefährten inzwischen nichts mehr von der ganzen Sache wissen wollten, sondern so taten, als seien sie eines natürlichen Todes gestorben.
    »Außerdem bleiben die Menschen trotz gemeinsamer Erfahrungen nicht ewig in Kontakt. Uns Opfer des russischen Rouletts könnte man mit Kriegskameraden vergleichen. Auch alte Kampfgefährten haben keine Lust, sich dauernd zu treffen, und schon gar nicht nach ihrem Tod. Ich nehme zum puren Zeitvertreib einmal im Jahr an dieser Konferenz teil, denn ich habe im Jenseits eigentlich keine spezielle Beschäftigung. Manchmal beobachte ich, wenn sich dumme lebende Menschen dem Spiritismus widmen. Ich habe herausgefunden, wie man sie foppen kann. Wenn es dich interessiert, kann ich dir zeigen, wie es geht.«
    Dankend nahm ich das Angebot an. Ich stellte es mir interessant vor, als Geist einer spiritistischen Sitzung beizuwohnen.
    Später am Abend hielt Sergej auf der Konferenz einen ziemlich langen und detaillierten Vortrag über die Ent­ wicklung des Trommelrevolvers im zwanzigsten Jahr­ hundert. Er bewies anhand vieler Beispiele, wie diese Waffen immer sicherer und präziser geworden waren. Sie wurden jetzt nicht mehr in Handarbeit, sondern größtenteils in Serienproduktion hergestellt, was jedoch nicht ihrer Qualität Abbruch tat. Ungeachtet der Fort­ schritte in der Entwicklung der Handfeuerwaffen galt der Trommelrevolver nach wie vor als konkurrenzfähig, und er hatte überall auf der Welt Millionen von Anhän­ gern.
    »Bei der Munition war die Entwicklung womöglich noch beachtlicher. Die Patronenhülsen, das Pulver, die Zündhütchen und vor allem die Geschosse sind beinahe perfektioniert worden. Heute passiert es äußerst selten, dass jemand am Leben bleibt, weil das Geschoss nicht losgeht«, erklärte Sergej.
    »Noch zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts war es nichts Ungewöhnliches, dass jemand beim russi­ schen Roulett nur wegen einer mangelhaften Patrone überlebte. Die Waffe funktionierte eben einfach nicht. So kam der Zufall gleich zweimal zum Einsatz,

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