Im Keller
nach. „Und, habt ihr was rausgekriegt?“
„Der Anruf kam definitiv nicht aus Kamps Haus, sondern von ca. 10 km weiter nördlich.“
„Verdammter Mist! Anscheinend hat die Kamp noch mehr Komplizen!“
Während Arthur telefonierte, hatte Claudia das Gefühl, als würden ihr jeden Moment die Nerven durchgehen. Es war so etwas wie ein inneres Zittern vor Angst und Anspannung. Sie war überzeugt, so fühlte man sich, kurz bevor man verrückt wurde!
Arthur beendete sein Gespräch, und Claudia fragte sofort: „Und was machen wir jetzt?“
„Jetzt mach ich ein Feuerchen.“ Arthur lächelte grimmig und holte aus der Plastiktüte eine Illustrierte, die er rasch im Format des Tagebuchs (das auch in der Tüte lag) zurechtschnitt. „Hast du Feuer?“
Claudia nickte. In ihrer Handtasche fand sich von Schmerztabletten über Pflaster, Zahnseide, Abwehrspray und Feuerzeug alles, was man im Notfall brauchte. Außer einer Flasche Wodka, den hätte sie jetzt gern dabei gehabt.
Mit Feuerzeug und Illustrierter stieg Arthur aus dem Auto und hielt beides so vor seinen Kö rper, dass der Entführer, der sich irgendwo rechts vom Auto aufhalten musste (links standen Häuser), möglichst wenig erkennen konnte.
Dann zündete Arthur die Zeitung an einer der unteren Ecken an, hielt sie an einer der oberen fest, wartete, bis über die Hälfte der Illustrierten in Flammen stand, schwenkte sie dann kurz so, dass alle sie sehen konnten, und ließ sie auf den Bürgersteig fallen, wo das Feuer schnell erlosch. Danach setzte er sich wieder zu Claudia in den Wagen.
Als ihr Handy klingelte, schreckte sie zusammen. War der Entführer auf die Vorstellung hereingefallen?
„Ja?“ , hauchte sie.
„Sagen Sie Schüller, dass ich nicht völlig verblödet bin! Ich komme jetzt zu Ihrem Auto und hol mir das Tagebuch persönlich ab! Und niemand hält mich fest, sonst passiert Ihrem Sohn was! Haben Sie das kapiert?!“
„Ja“, nuschelte Claudia und sah Arthur an, der mitgehört hatte, aber aus dem Fenster schaute. Er schien sich mächtig zu ärgern, dass sein Trick nicht funktioniert hatte.
„Ich tu mir was an, wenn Tim was passiert“ , murmelte sie.
„Ihm wird nichts passieren“ , behauptete Arthur, wandte den Kopf und schenkte ihr wenigstens ein aufmunterndes Lächeln. „Aber wir müssen jetzt unbedingt die Nerven behalten. Warte mal eben ...“
Er stieg aus, winkte ein paar Kollegen und Streifenpolizisten zu sich und gab leise Anweisu ngen. Die Männer gingen wieder ein Stück zurück, und gerade, als Arthur die Autotür öffnete, hastete von der anderen Seite der Typ mit dem schütteren Blondhaar herbei, trat ganz nah an Arthur heran und zischte: „Geben Sie mir das Tagebuch!“
Arthur beugte sich in den Wagen und holte die Plastiktüte heraus, ohne Claudia anzusehen. „Herr Türholz, bevor ich es Ihnen gebe, will ich wissen, wo der Junge ist!“
Von den beiden Männern neben dem Auto konnte Claudia hauptsächlich die Bäuche sehen: den trainierten, in Schwarz gehüllten Bauch von Arthur, und den unübersehbaren von Türholz, der ordentlich über den Hosengürtel ragte und fast das weiße Hemd sprengte, in das er gezwängt war.
Dann hörte sie Türholz’ Stimme, aufgebracht und trotzdem arrogant: „Sie wollten mich rei nlegen, Sie Superhirn! Und das wollen Sie jetzt wieder - und deshalb sag ich Ihnen erst, wo der Junge ist, wenn ich in Sicherheit bin! Geben Sie das endlich her!“
Claudia spürte, wie ihre Angst sprunghaft anstieg. Jetzt, in dieser Sekunde, wurden die We ichen gestellt! Die nächsten Sekunden, da war sie sicher, entschieden über Leben und Tod ihres Sohnes!
Ihr Herz hämmerte, und sie dach te nur noch: Gleich ist er weg, und ich sehe Tim nie wieder, ich muss was tun, er darf nicht gehen, tu was!
Ihre Angst, das merkte sie selbst, bekam etwas Hysterisches: es durfte doch nicht wahr sein, dass ihr Kind wegen ein paar vollgekritzelter Seiten Papier sterben musste! Wegen eines ve rfluchten Tagebuchs! In die Hysterie mischte sich Wut. Tim durfte nicht sterben wegen einer Sache, die verdammte 24 Jahre zurücklag!
Die Wut gewann die Oberhand, die Vernunft schaltete sich ab. Keine Zeit verlieren, jetzt musste gehandelt werden! Sie stieß die Tür auf und sprang aus dem Auto. Am Rande b ekam sie mit, dass sich die Presse schon ziemlich nah ans Auto herangearbeitet hatte. Mehrere Polizeibeamte bemühten sich, sie zurückzudrängen. So auch ein Polizist keine zwei Meter von Claudia entfernt, der ihr den Rücken
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