Im Keller
wissen. Und ich auch. Die Frau druckst herum und klimpert mit ihren sehr langen, sehr schwarzen Wimpern.
„Weil ich ein schlechtes Gewissen hab, und weil ich nicht mitansehen kann, wenn Frauen so von ihren Männern behandelt werden!“
Eigentlich glaube ich ihr das nicht. Sie sieht nicht aus wie eine von diesen modernen Emanzen. Wahrscheinlich hat sie ganz andere Gründe und Absichten.
Sie redet weiter. „Uschi, du hast mir selbst gesagt, dass du von Clemens verpr ügelt wirst.“ Sie blickt mich an. „Und wie ist das mit Ihnen, Frau Kirchfeld, hat Ihr Sohn Sie auch schon mal geschlagen?“
Die Frau starrt mir in die Augen, dass mir ganz anders wird. Soll ich die Wahrheit sagen, denke ich noch - da sprudelt es auch schon aus mir heraus, und ich erzähle, wie Clemens mich verletzt und hungrig tagelang im Gästeklo eingeschlossen hat.
Die Frau hört mit Entsetzen in den Augen zu, bis ich selbst die Fassung verliere und eine Viertelstunde lang herumheule. Wir trösten uns gegenseitig, bis die Schäffler, Zorn im Blick und in der Stimme, giftet: „Mich lässt das Arschloch auch nicht in Ruhe! Ständig ruft er an, besonders gern nachts! Ich soll zu ihm zurückkommen, oder ich würde mir noch wünschen, nie geboren zu sein! Ich war schon bei der Polizei, aber die nehmen das nicht ernst, die sagen einem ins Gesicht: ach, da passiert schon nichts, das sind nur Sprüche!“
Sie macht eine Pause und guckt uns an. „Clemens schlägt und quält nicht nur Frauen. Er ist ein Kindermörder! Ich finde, wir sollten endlich was unternehmen!“
Arthur legte das Heft für einen Moment auf dem Badewannenrand ab, stand auf, dehnte die angespannten Muskeln, ging nach unten und ließ sich noch einen Kaffee geben.
Auf dem Rückweg begegnete er im ersten Stock Benno, der immer noch im Schlafzimmer zugange war, und dringend zur Toilette musste. Arthur ließ ihn zuerst ins Bad und beantwo rtete dann seine ungeduldigen Fragen.
„Und, was steht in dem Tagebuch? Weißt du schon, wer der Täter ist? Müssen wir noch la nge den Müll durchwühlen?“
„Ich ahne langsam, was damals passiert ist, gib mir noch `ne Stunde oder zwei.“
Arthur scheuchte Benno aus dem Bad, klappte Toilettenbrille und -deckel herunter, setzte sich und widmete sich wieder den Aufzeichnungen der Carmen Elisabeth Kirchfeld.
Es gab einen größeren Absatz nach der Szene in Uschis Krankenzimmer. Dann ging es weiter. Das Verschwinden des Clemens Kirchfeld musste kurz bevorstehen.
Kapitel 8
Die Schäffler hat mir das Du angeboten, also sage ich jetzt ,Simone‘ zu ihr. Sie ist eine unglaublich willensstarke Person, die einen förmlich mitreißt mit ihren Plänen.
Wir haben uns zu dritt mehrmals heimlich getroffen, um zu überlegen, was wir tun können. Ich hab vorgeschlagen, dass wir uns männliche Hilfe holen, von Martin oder von Hovenbi tzer, der ist auch nicht gut auf Clemens zu sprechen.
Aber Simone meint, ein Mann könne nicht wirklich verstehen, um was es geht. Ich bin anderer Meinung, aber ich weiß nicht, ob ich mich gegen die Frau durchsetzen kann.
Es folgte der nächste größere Absatz, und danach schrieb Carmen mit irgendwie leicht verä nderter Handschrift weiter. Die Schrift wirkte kleiner, ungleichmäßiger, zittriger.
Das Weihnachtsfest ist vorüber, Theo, und ich glaube wirklich, ich verliere den Verstand! Könnte ich doch nur alles ungeschehen machen! Ich kann nicht mehr schlafen, wenn ich keinen Alkohol trinke. Ich muss das alles loswerden, Theo, schon deshalb, weil wir uns nie mehr wiedersehen werden, denn ich komme ganz bestimmt in die Hölle!
Es begann am Dienstag, dem 6. November.
Uschi rief abends in der Kneipe an, in der Clemens immer saß, und erzählte ihm aufgeregt, ich wolle wegen der toten Babys zur Polizei gehen und ihn anzeigen. Er müsse sofort kommen und mir das Ganze ausreden.
Clemens war sofort auf 280 (wie Uschi erzählte), ließ alles stehen und liegen und fuhr zu meinem Haus. Er hatte ja immer noch einen Schlüssel.
Nachdem er zehn Minuten später die Haustür zugeknallt hatte, brüllte er sofort nach mir. Ich hatte unglaubliche Angst, aber ich meldete mich, und zwar aus dem Keller.
„Ich bin hier“, rief ich, und bestimmt zitterte meine Stimme vor Angst.
Clemens schrie zurück: „Was machst du denn verdammt noch mal da unten?!“
Meine Stimme versagte fast. „Ich versuche deinen Raum aufzukriegen, weil ich wissen will, was du mit den Säuglingen gemacht hast. Damit
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