Im Keller
gesteckt, holte den Autoschlüssel heraus, fuhr zu einer Kneipe ein paar Straßen weiter und stellte das Auto auf dem kleinen Parkplatz ab. Ein großer Mann, den ich kaum erkennen konnte, kam eben zur Tür heraus, aber der war sicher nicht mehr ganz nüchtern, und ich huschte in der Dunkelheit davon.
Ich beeilte mich und lief durch die Nacht wie in einem Alptraum. Es war alles völlig unwir klich.
Kaum war ich wieder zu Hause, als der Krankenwagen kam. Ich fuhr natürlich mit den be iden Verletzten mit, und im Wagen redeten wir nicht, sondern hingen unseren Gedanken nach, und eigentlich, Theo, eigentlich hatte ich damals schon das Gefühl, verrückt zu werden!
Im Krankenhaus erzählten wir unsere Geschichte, dass nämlich Uschi und Simone in der Waschküche auf Seifenlauge ausgerutscht seien, die aus einem Leck im Schlauch ausgela ufen war, und dass Uschi mit dem Kopf auf die Waschmaschinenecke geschlagen sei.
Der Arzt wunderte sich zwar, was die beiden so spät am Abend in der Waschküche zu tun hatten, aber auch dafür fand Simone eine halbwegs sinnvolle Erklärung (ich weiß nicht mehr, we lche).
Jedenfalls musste Uschi sofort operiert werden, während ein anderer Arzt meinte, Simones Hüfte sei zwar angebrochen, aber da reiche ein Gips und strenge Bettruhe. Das gefiel Simone gar nicht, und sie wollte sofort den Oberarzt, den Chefarzt und den Klinikleiter sprechen - die natürlich um die Zeit alle nicht da waren.
Ich hörte sie noch auf dem Flur streiten. Dann kam sie aus dem Zimmer gehumpelt und verkündete verärgert: „Komm, wir gehen. Ich werde mir eine zweite Meinung einholen!“
Aber statt in ein anderes Krankenhaus fuhren wir mit dem Taxi erst einmal zu mir und g enehmigten uns in der Küche einen doppelten Korn. Während wir da saßen und eine Weile schweigend ins Nichts starrten, hörten wir plötzlich von unten ein paar laute, polternde Geräusche, sprangen auf, sahen uns entsetzt an.
Und hatten beide den gleichen Gedanken: was, wenn es Clemens gelungen war, sich zu b efreien und irgendwie aus dem Kellerraum zu entkommen?!
Im Gegensatz zu mir handelte Simone sofort. Sie humpelte zum Küchenschrank, riss die Schubladen auf und fischte das größte und schärfste Messer heraus, das ich im Haus ha tte. Derart bewaffnet schlichen wir in den Flur und lauschten. Plötzlich wieder ein Schlag.
„Der hat sich wahrscheinlich zur Tür gerollt und tritt mit den Füßen dagegen“ , flüsterte Simone, das Messer fest in der Hand. „Aber es wird ihm nichts nützen. Nichts, gar nichts!“
Ich war mir da nicht so sicher. „Kann ich heute Nacht bei dir schlafen? Was glaubst du, was der mit mir macht, wenn er da unten ausbricht?“, fragte ich und war fest entschlossen, im Hotel zu übernachten, wenn Simone nein sagte.
„Klar kannst du das. Pack ein paar Sachen zusammen, dann verschwinden wir von hier! Und vorher bringen wir Clemens´ Auto in die Eifel, genauso, wie wir das vorhatten! Schaffst du das?“
Eifrig nickte ich. Trotz des Alkohols (der kaum zu wirken schien) war ich mit dem Taschepacken so schnell fertig wie noch nie in meinem Leben. Als ich vom Schlafzimmer zurück nach unten in den Flur kam, schrieb Simone gerade mit Kugelschreiber etwas auf den Türrahmen des Wohnzimmers.
„Was machst du da?“
„Ich will festhalten, wie lange es dauert, diesen Kerl zu brechen!“
Diese Worte schlugen in mein Herz wie eine Axt. Von diesem Moment an war ich in zwei Te ile gespalten. Der eine Teil wusste, dass wir diesem Menschen eine Lektion erteilen mussten, dass er so hart bestraft werden musste, dass er nie wieder etwas Unrechtes tat!
Der andere Teil war tief besorgt: was, wenn diese ,Erziehungsmaßnahme‘ daneben ging? Was, wenn Clemens in dem Keller elend verreckte?! Hatte Simone nicht in einem unbedachten Moment geäußert, man müsse es eben darauf ankommen lassen?!
Aber wie konnte ich dabei mitmachen - ich war doch seine Mutter!
Oh Theo, Theo, ich war so verzweifelt, denn mir war ja klar, dass etwas passieren musste, denn ansonsten würde Clemens nie aufhören zu schlagen, zu demütigen und zu töten!
Als hätte mir Simone meinen inneren Zweikampf angesehen, raunte sie mir zu: „Denk an die Säuglinge ... komm jetzt, lass uns fahren.“
Sie brachte mich zu der Kneipe, neben der Clemens´ Schlitten parkte, ich stieg um und nahm Kurs aufs Land. Es war 1.30 Uhr, und die Straßen völlig ausgestorben. In irgendeinem Kaff stellte ich Clemens´ Wagen neben einem Lokal ab,
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