Im Keller
Puls. „Sie lebt noch! Wir müssen uns beeilen!“
Das taten wir. Wir leerten Clemens´ Taschen aus, verpackten ihn, der sich schon wieder bewegte, so mit Klebeband, dass er keinen Finger mehr rühren konnte. Doch das war Simone nicht genug: sie hatte eine lange Eisenkette mit Vorhängeschloss besorgt, mit der sie Clemens derart umwickelte, dass nicht einmal Houdini selbst eine Chance gehabt hätte freizukommen.
Als wir ihn auf den Rücken drehten, bemerkten wir, dass er wieder bei Bewusstsein war, und wir bemerkten die große Glasscherbe, die sich in seinen Oberschenkel gebohrt hatte. Ung erührt zog Simone sie heraus, und ein Schwall Blut spritzte uns entgegen. Dumpfe Laute drangen aus Clemens zugeklebtem Mund, aber darum kümmerten wir uns nicht.
Simone drückte ein Taschentuch auf seine Wunde am Bein und klebte es fest. Dann richtete sie sich auf und wollte zu Uschi hinübereilen, als das nächste Unglück geschah: sie rutschte auf dem blutverschmierten Boden aus und stürzte sehr unglücklich auf die Seite.
Vor Schmerz schrie sie auf, und mich packte die nackte Panik. Wenn auch sie ausfiel, wie sollte ich dann die Sache alleine zu Ende bringen?
Simone blieb ein Weilchen schwer atmend liegen, und ich fragte sie, ob sie sich was gebr ochen habe. Sie schüttelte den Kopf und starrte ihre Hand an, in der nun auch eine Glasscherbe von der zerbrochenen Bierflasche steckte. Sie zog sie mit zitternden Fingern heraus, und auch aus dieser Wunde lief Blut.
Mein Gott, da war überall so viel Blut! Auf dem Boden, an den Wänden, in Uschis Haaren, auf Simones rosa Pullover, an ihrer Hose, an ihren Händen!
Simone stand schwerfällig und mit mehrmaligem „Aua, tut das weh!“ auf. Ich half ihr und passte auf, dass ich nicht auch noch ausrutschte.
Als sie stand, schaute sie wie abwesend auf ihre Hände und murmelte: „Es hat sich ve rmischt! Ich hab sein Blut in mir!“ Und auf einmal begann sie wie wild die Hände an ihrer Jeans abzuwischen und kreischte beinah: „Wo ist ein Tuch?! Ich brauche ein Tuch!“ Immer weiter, und ich gab ihr alle Taschentücher, die ich bei mir hatte.
Wie besessen rieb sie sich die Handflächen ab, aber plötzlich fiel ihr wohl Uschi ein, denn sie ließ die Tücher fallen und befahl: „Los, wir müssen sie sofort nach oben bringen!“
Also schleiften wir Uschi, die immer noch aus dem Kopf (oder aus dem Ohr) blutete, aus dem Kellerraum, schlossen ihn ab und schleppten Uschi mit letzter Kraft die Kellertreppe hinauf. Simone humpelte und hinkte, fiel fast ein zweites Mal hin, sie fluchte, stöhnte und schrie ein paar Mal vor Schmerz auf, aber die Frau hatte einen eisernen Willen, und so kamen wir schließlich im Flur an, ruhten uns eine Minute aus, und dann gab Simone, die leichenblass im Gesicht war, die nächsten Anweisungen.
„Ich rufe jetzt einen Krankenwagen, und du nimmst dir Papiertücher und gehst noch mal ru nter. Wisch damit Uschis Blut auf - aber nur Uschis Blut, hörst du - und geh damit in einen anderen Raum, am besten in die Waschküche, ja ... und da schmierst du das Blut auf eine obere Ecke der Waschmaschine und vielleicht noch ein bisschen auf den Boden. Nur für den Fall, dass sich das jemand angucken will, und wenn du damit fertig bist, setzt du dich in Clemens´ Auto und stellst es ein paar Straßen weiter ab! Wenn der Krankenwagen kommt, werden sicher die Nachbarn aufmerksam, und die dürfen das Auto auf keinen Fall sehen! Scheiße! Das hatte ich so nicht geplant! Nun los, mach schon!“
Es erschien mir vernünftig, was sie sagte, aber ich konnte sowieso nicht klar denken. Und so holte ich ein Tuch und eilte hinab in den Raum, in dem Uschi gestürzt war. Als ich Clemens so eingeschnürt da liegen sah ... ach, Theo, ich konnte es kaum ertragen, und er starrte mich so komisch an. Ich zwang mich dazu, so zu tun, als sei er gar nicht da, und während ich Uschis Blut aufwischte, wälzte er sich hin und her, schlug mit den gefesselten Beinen auf dem Boden herum, dass die Kette klirrte, und gab dumpfe, wütend klingende Laute von sich.
Ich bekam tatsächlich Schmerzen in der Brust, und ich hatte nur noch einen Gedanken: raus hier, so schnell ich nur kann!
Mit den bluttriefenden Papiertüchern hastete ich aus dem Raum, schloss hinter mir ab und verschmierte das Blut an der Ecke der Waschmaschine und an der Seite und auf dem Boden. Dann hastete ich zurück zu Simone nach oben.
Ich hatte mir den Inhalt von Clemens´ Hosentaschen in meine eigenen
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