Im Keller
Sie ging zu Fuß, mit zwei schweren T aschen in den Händen. Ich bin ihr hinterher gefahren, und in einer Seitenstraße, wo kaum was los war, hab ich sie angesprochen.
Erst hat sie sich erschrocken, dann wollte sie davonlaufen, aber schließlich hat sie sich doch zu mir ins Auto gesetzt.
Als ich nach dem Kind frage, fängt sie ganz furchtbar an zu weinen. Nachdem sie sich ein wenig beruhigt hat, kommt heraus, dass alles wie beim letzten Mal abgelaufen ist: Clemens hat sie in meinem Keller eingesperrt, bis das Kind da war, hat es ihr weggenommen und behauptet, es sei tot.
Dann erzähle ich ihr meine Geschichte, wie Clemens mich ebenfalls eingesperrt und verpr ügelt hat, weil ich ihr helfen wollte. Wir weinen beide noch ein bisschen, dann frage ich sie, was sie denn jetzt macht.
Uschi berichtet, dass sie bei verschiedenen Leuten putzen geht, und dass sie eine sehr nette Frau kennen gelernt hätte, der sie auch schon ihr Herz ausgeschüttet habe und die ihr unb edingt helfen wolle.
„Weiß die Frau, wozu dein Mann fähig ist?“ , frage ich Uschi.
Die guckt mich groß an und meint: „Ich geh jetzt nach Hause. Wenn Clemens auf sein Mi ttagessen warten muss, wird er sauer.“
Und schon ist sie raus aus dem Wagen und schleppt ihre Einkaufstüten die Straße hinunter. Ich sitze noch eine Weile da und denke nach. Aber mir will nichts einfallen, das auch wirklich machbar ist, vor allem, wenn Uschi selbst Clemens´ Taten doch nur vor der Polizei leugnen würde.
Heute am späten Nachmittag bekam ich einen aufgeregten Anruf. Eine Frau Schäffler rief an, um mir zu sagen, dass Uschi ins Krankenhaus eingeliefert worden sei, ob ich auch kommen könnte. Natürlich bin ich sofort hingefahren, und ich hab nur gedacht: was hat der Mistkerl jetzt wieder mit ihr angestellt?!
Ich war wütend und verzweifelt - man musste die Frau doch aus dieser Hölle herausholen können!
Als ich ins Zimmer stürme, sehe ich sie bleich, mager und mit dunklen Ringen unter den Augen auf dem Bett liegen. Neben ihr sitzt eine Frau, etwas älter als Uschi, blonde Mähne, kurzes Röckchen, irgendwie aufgetakelt, nuttig. So eine Brigitte Bardot für Arme.
Aber sie steht auf, um mich zu begrüßen. Sie stellt sich als Frau Schäffler vor, die in dem Wohnblock lebt, in dem Uschi Treppen und Keller putzt. Von ihr erfahre ich auch, dass Uschi ins Krankenhaus musste, weil sie starke Unterleibsschmerzen hatte und Blut verlor.
Es war, Theo, eine seltsame Atmosphäre im Krankenhauszimmer, das Uschi für sich allein hatte: Uschi mit ihrer trostlosen Verzweiflung, die sie verbreitet; ich mit meiner Unentschlossenheit, meiner Ratlosigkeit; und die Schäffler hat so was Wütendes, Kämpferisches. Das wird mir klar, als sie plötzlich anfängt, uns etwas zu beichten.
„Li ebe Uschi, liebe Frau Kirchfeld“, fängt sie an, kratzt sich in den blonden Locken und guckt mit ihren schwer geschminkten Augen auf die Wasserflasche auf dem Krankenhausnachttisch, „ich muss euch was erzählen. Vor ein paar Wochen hab ich einen Mann kennen gelernt, und ich hab mich sofort in ihn verliebt. Er sah gut aus, schien Geld und gute Manieren zu haben, und er war mir sympathisch. Jedenfalls am Anfang.“
Sie machte eine Pause und betrachtete ihre langen, pinkfarben bemalten Fingernägel. „Aber ich hab schnell g emerkt, dass der Kerl gern zu viel trinkt, und wenn ich dann nicht so wollte wie er, wurde er grob. Als ich dann auch noch erfahren hab, wie alt er wirklich ist und dass er verheiratet ist, war die Sache für mich gegessen! Ich sag ihm also, es ist aus, und was macht der Kerl?! Der scheuert mir eine, brüllt mich an und droht, dass er mich fertig macht. Aber nicht mit mir! Ich hab ihn rausgeschmissen!“ Sie schaut einmal zornig in die Runde. „Ihr könnt euch denken, wer der Mann war? Genau, Clemens.“
Uschis Gesicht verschließt sich ein wenig, und sie scheint in ihrem Bett von der Frau (von der Geliebten ihres Mannes!) wegzurutschen, aber die Schäffler greift nach Uschis blasser, m agerer Hand und beteuert: „Bitte, Uschi, glaub mir, ich wusste doch nicht, dass er verheiratet ist! Und als ich es rauskriegte, hab ich sofort Schluss gemacht.“
Mit ihrem pinkfarbenen Daumennagel schabt sie über das Bettlaken. „Ich hab mich gefragt, wie es der Ehefrau von so einem Schwein wohl geht ... und dann hab ich dir die Put zstelle bei uns im Haus vermittelt.“ Die Schäffler bekommt feuchte Augen. „Ich möchte dir doch so gerne helfen.“
„Warum?“ , will Uschi
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