Im Kerker der schönen Justine
war. Sie schnallten die Tote los und lösten die Schläuche von ihrem Körper. Die beiden mit Blut bis zu den Rändern gefüllten Kissen wurden durch Stopfen verschlossen. Sie konnten so transportiert werden, ohne dass dabei ein Milliliter verloren ging.
Der Keller gehörte ihnen. Der Kerker war wichtig. Früher einmal hatte er zum Krankenhaus gehört, aber das lag Jahre zurück. Bei einem Neu- und Anbau hatte man ihn nicht mehr gebraucht, und er war praktisch vergessen worden.
Nicht so bei Justine Varela und Pete Bonham. Da hatten sich zwei gesucht und gefunden.
Beide hoben sie die Leiche an, um ihr Gewicht zu prüfen. »Sie ist leichter, als ich dachte«, kommentierte der Arzt.
»Kannst du sie allein tragen?«
»Was ist mit dem Wagen?«
»Ich hole ihn.«
»Sehr gut.«
Die Frau verschwand. Sie ließ die Tür offen, damit der Arzt den Kerker mit der Toten verlassen konnte. Er hatte sich die Leiche über die rechte Schulter gelegt. Für eine gewisse Strecke konnte er sie schon transportieren.
Der Keller besaß einen Zugang nach draußen. Er musste mit seiner Last nicht erst in den normalen Teil des Krankenhauses hinein. Hier war für alles gesorgt worden.
Auch die Tür ins Freie stand offen. Er schaute hinaus und sein Blick fiel auf das Heck des Notarztwagens, der völlig dunkel war. Kein Licht war dort zu sehen.
Die Türen waren bereits geöffnet. Die Trage ein Stück herausgefahren.
Daneben wartete Justine. »Ist bei dir alles in Ordnung?«
»Ja. Bei dir auch?«
»Wir können einladen.«
Es ging schnell, denn beide waren ein eingespieltes Team. Die Tote wurde auf die Trage gelegt, festgeschnallt, und wenig später war die Hecktür wieder zu.
»Willst du fahren, Justine?«
»Ja.«
»Okay.«
Die Notärztin stieg ein. Unter ihrer wetterfesten Jacke schauten die hellen Hosenbeine hervor. Geschmeidig stieg sie ein und setzte sich hinter das Lenkrad.
Wenig später startete sie. Den Wagen fuhr sie perfekt. Sie nahm die normale Straße, um wenig später in einen schmalen Weg einzubiegen, der ebenfalls asphaltiert war. Die Bequemlichkeit hatten die Golfer aus eigener Tasche finanziert.
Bis zum Golfplatz fuhren sie nicht. Irgendwann bogen sie links in den Wald ein, wo es noch dunkler war, und bald kamen sie nicht mehr weiter, weil der Boden einfach zu sumpfig wurde.
Sie hielten an und holten die Leiche hervor. Gemeinsam trugen sie die Tote weiter. Der Weg war sehr weich und wässrig geworden. Wasser sammelte sich in den Trittstellen. Gras reichte bis über ihre Knie hinweg. Bäume gab es hier nicht mehr. Gesträuch wuchs auf kleinen Erdhügeln. Dazwischen schimmerte bereits brackiges Wasser.
Weiter durften sie nicht gehen. Sie stellten sich so auf, dass sie sich gegenseitig in die Gesichter schauten. Pete hielt die Schultern der Leiche fest, Justine hatte sie an den Beinen gepackt.
Drei Mal nahmen sie Schwung und schaukelten sie vor und zurück. Auf Justines Ruf hin ließen sie den Körper los. Er flog durch die Luft und landete auf dem Wasser.
Dort blieb er nur für kurze Zeit liegen. Es erfasste ihn ein leichtes Zittern, dann zeigte der Sumpf seine Gier und verschlang die Leiche mit Haut und Haaren.
»Das war’s«, sagte der Arzt.
Seine Kollegin lächelte. Sie drehte sich als Erste um und ging zurück zum Wagen. Als ihr Partner einstieg, sagte sie: »Wir sollten uns beeilen, es wird gleich hell.«
»Alles klar.«
Justine Varela saß diesmal auf dem Beifahrersitz. Die Augen hielt sie geschlossen. Sie spürte den Druck in sich, und als Bonham das Stöhnen hörte, fragte er: »Ist es wieder so weit?«
»Ja.«
»Dann los.«
Justine griff neben den Sitz. Dort stand eine Thermoskanne, deren Deckel sie mit zitternden Fingern öffnete. Sie setzte die Kanne direkt an den Mund und trank.
Etwas zu gierig. Einige Tropfen der Flüssigkeit schafften es nicht bis in ihren Mund. Als dunkle Streifen rannen sie am Kinn entlang in Richtung Hals.
Es war kein Kaffee, den Justine Varela trank, sondern Blut – Menschenblut...
***
Ich war in den Flur gegangen, um zu telefonieren. Das Gefühl, in einer Sackgasse zu stecken, wurde ich dabei nicht los. Aber so etwas kannte ich. Wie oft waren wir nahe an irgendetwas herangekommen und hatten es dann doch nicht geschafft, zuzuschlagen.
Ich klingelte die Wald-Klinik in Woking an. Es klappte mit der Verbindung, und ich spielte den Patentiert, der wissen wollte, ob noch Betten frei waren. Ich teilte auch mit, dass ich für einen Teil der Kosten selbst aufkommen
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