Im Kerker der schönen Justine
kann ich leider auch nichts ändern.«
»Du sagst es.«
Jane verabschiedete sich von uns, und so blieben wir zu dritt in Justines Zimmer zurück. Dass sie eine Blutsaugerin war, zeigte sie nicht, denn sie hielt die Lippen fest zusammengedrückt. Dabei waren ihre Blicke ins Leere gerichtet. Schließlich sagte sie, was ihr die Zeit über durch den Kopf gegangen war.
»Es sollte mich ja nichts angehen, aber ich bin trotzdem involviert, verdammt! Ich kann diese Blonde nicht vergessen, die ich in diesem Notarztwagen gesehen habe. Ich will sie finden, auch wenn sie mit eurem Fall womöglich nichts zu tun hat. Aber die Begriffe Notarzt, Blut und Krankenhaus passen zusammen.«
»Besonders Krankenhaus«, präzisierte ich.
»Wieso?«
»In einem Krankenhaus benötigt man Blutreserven, und da könnte es sein, dass man sich diese auf eine bestimmte Art und Weise holt, die nicht eben dem Gesetz entspricht.«
»Du hast keine gute Meinung von unseren Krankenhäusern«, sagte Suko.
»Es ist ja nicht die Regel. Sondern die Ausnahme, und wir haben nun mal zwölf blutleere Leichen. Das ist eine Tatsache, und damit müssen wir uns abfinden.«
»Machen wir.« Suko drehte sich Justine Cavallo zu. »Dann wäre es am besten, wenn du uns erzählst, wo sich das Krankenhaus befindet, in dessen Nähe du deine Doppelgängerin gesehen hast.«
»Es liegt schon jenseits des Londoner Autobahnrings. Bei Woking. Ist aber gut zu erreichen.«
»Hat es auch einen Namen?«, wollte ich wissen und griff nach dem Telefonbuch.
»Ja. Die Wald-Klinik. Es liegt wirklich in einem Waldgelände. Sehr schön und ruhig. Anders als die Kliniken in den Großstädten.«
»Da haben wir es doch«, sagte ich triumphierend.
»Und weiter?«, fragte Suko.
»Ich rufe dort an.«
»Hätte ich auch getan. Was willst du wissen?«
Mein Lächeln wurde zu einem Grinsen. »Das werde ich dir nicht sagen. Aber du kannst zuhören, wenn ich telefoniere.«
»Gern, liebend gern...«
***
Das war kein Albtraum, den Lilian Smith erlebte. Das war viel böser, denn das hier war die verdammte Wahrheit. Die Vorstufe zum Jenseits. Die Vorhölle, und Dr. Bonham war so etwas wie ein Teufel.
Er hatte sie an die Apparatur angeschlossen. Vier Schläuche steckten in ihren Armen. Zwei rechts und zwei links. Sie führten zu den Pumpmaschinen, die dafür sorgten, dass sie das Blut verlor. Es sammelte sich dann in den beiden Kissen, die ebenfalls an diese Geräte angeschlossen waren.
Grauenhaft, schrecklich, und so schlimm, dass es ihr die Sprache verschlagen hatte.
Das war bei Dr. Bonham nicht der Fall. Er befand sich in seinem Element. Aber er redete nicht mit der Krankenschwester, sondern mit sich selbst. Hin und wieder unterbrach er sein Geflüster und pfiff vor sich hin. Außerdem beobachtete er, wie das Blut durch die Schläuche lief, um in den beiden Kissen zu landen.
Lilian Smith war Fachfrau genug, um zu wissen, wie es ablaufen würde. Sie würde schwächer und schwächer werden, je mehr Blut sie verlor. Irgendwann fiel sie in die Bewusstlosigkeit und danach in den endlosen Schlaf, aus dem sie nicht mehr erwachen würde.
Wehren konnte sie sich nicht. Sie lag nur auf dem Rücken und bewegte ihre Augen, weil sie die Schritte des Arztes verfolgen wollte. Nie hätte sie gedacht, dass diese Person dazu fähig sein könnte. Aber wer schaute schon einem Menschen hinter die Stirn?
Er war ein Besessener im negativen Sinne. Er sammelte das Blut, um es zu verkaufen, und sie wusste, dass für diese Konserven auf dem Schwarzmarkt gute Preise erzielt wurden.
Immer wieder überprüfte er die Schläuche, summte dabei vor sich hin, und es störte ihn nicht, dass Lilian immer schwächer wurde und schließlich sterben würde.
Noch konnte sie reden, und sie spürte auch das Gefühl der Neugierde in sich. »Bitte, Doktor, warum tun Sie das?«
Er hielt inne, rückte seine Brille zurecht und beugte sich über sein Opfer. Sein Gesicht war dabei so nahe, dass sie die Schweißtropfen auf der Oberlippe sah.
»Was denken Sie, Schwester?«
»Geld!«, flüsterte Lilian zurück. »Es ist der schnöde Mammon, der Sie dazu treibt.«
»Ach.« Sein Gesicht verzog sich. »Glauben Sie wirklich, dass ich das nötig habe?«
»Das weiß ich nicht.« Lilian merkte schon, dass sie das Sprechen anstrengte. »Ich kann mir keinen anderen Grund vorstellen.«
Er lachte sie fauchend an. »Ja, ja, das ist so üblich. Aber keiner glaubt, dass es noch andere Dinge gibt, die jenseits des Mammons liegen.«
»Welche
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