Im Kerker der schönen Justine
angenommen.
Ich sprach sie darauf an. »Spürst du was?«
»Ich weiß nicht. Es könnte sein.«
»Wieso?«
»Hör auf, mich zu nerven. Wir werden es bestimmt erleben, wenn wir am Haus sind.«
»Wie du meinst.«
Mir fiel es noch immer ein wenig schwer, mich daran zu gewöhnen, dass kein Mensch hinter uns saß, sondern eine Vampirin. Aber Justine Cavallo war eben etwas Besonderes. Sie gehörte zu den Schattenwesen, die diesen Namen nicht verdienten, weil sie sich auch im Hellen bewegten. Nur zu starkes Sonnenlicht mied sie, aber die Strahlen zerstörten sie nicht. Manchmal war ich auch froh, sie auf unserer Seite zu wissen, denn als Feindin wollte ich sie nicht gern haben. Da war es schon besser, dass wir im Endeffekt das gleiche Ziel hatten, Mallmann nämlich.
Wir sahen ein weiteres Schild, das auf die Klinik hinwies, rollten dann in eine Linkskurve – und Suko trat hart auf die Bremse!
Die Kreuzung tauchte wie aus dem Nichts auf. Von links fuhr der dunkle Leichenwagen her, und dessen Fahrer schien betrunken zu sein, denn er fuhr in die Kreuzung, ohne sich darum zu kümmern, ob sie leer oder besetzt war.
Sie war nicht leer.
Es gab uns noch!
Suko fluchte selten, diesmal tat er es. Aber bekam den Rover rechtzeitig zum Stehen.
Die Reifen des Leichenwagens schrammten über den Boden. Wir hörten noch das leise Jaulen, und ich erwartete sogar einen Crash, der allerdings blieb aus. Wir hatten es gerade noch geschafft.
Aber der dunkle Leichenwagen kam nicht mehr weiter. Er hätte schon zurückgesetzt werden müssen, um unseren Rover anschließend zu umfahren. Es war klar, dass niemand von uns im Auto sitzen blieb. Das heißt, Justine winkte ab.
Suko und ich stiegen aus. Auch die beiden Männer aus dem Leichenwagen. Sie trugen eine graue Einheitskleidung, aber irgendwelche Mützen saßen nicht auf ihren Köpfen. Einer von ihnen war jung, recht groß und wirkte irgendwie hölzern. Der andere, er hatte den Wagen gefahren, gehörte der mittelalten Generation an. Dunkelhaarig, Brillenträger und mit dünnen grauen Haaren.
Mit einem Blick stellte ich fest, dass sie vom Krankenhaus gekommen waren. Jedenfalls wies ein Schild in die entsprechende Richtung, und ich merkte es mir.
Der Brillenträger regte sich auf. »Sind Sie eigentlich verrückt, hier so zu fahren?«
»Wieso wir?«
»Ja, Sie haben verdammtes Glück gehabt, dass wir keinen Unfall erlebt haben.«
»Dafür habe ich gebremst«, sagte Suko.
»Okay.« Der Ältere nickte. »Dann ist die Sache erledigt. Ich denke, dass wir fahren können.«
Das wäre normal gewesen, und trotzdem wollte ich nicht zustimmen. Auch Suko schaute recht misstrauisch, und er war es, der die Initiative übernahm. Er nickte in die Richtung des Leichenwagens und fragte: »Haben Sie eine Ladung, oder fahren Sie leer?«
»Nein, wir bringen einen Toten weg. Es wäre sehr peinlich gewesen, hier einen Unfall zu erleben.«
»Wo schaffen Sie ihn hin?«
»Zum Beerdigungsunternehmer. Wie üblich. Aber was geht Sie das überhaupt an?«
»Wir möchten uns die Leiche gern anschauen!«, sagte ich.
Damit hatten die Männer nicht gerechnet. Der Brillenträger war so erstaunt, dass er nichts sagen konnte, und sein jüngerer Kollege grinste etwas dümmlich.
»Sie sind verrückt!«, rief der Ältere der beiden. »Das ist unmöglich!«
»Warum?«, fragte ich.
Der Brillenträger schnaufte. »Weil es verboten ist. Da könnte ja jeder kommen, um eine Leiche zu sehen.«
»Wir sind aber nicht jeder.«
»Ach ja?«
»Genau.« Mehr sagte ich nicht. Dafür holte ich meinen Ausweis hervor. Suko verzichtete darauf, seine Legitimation zu zeigen, der Mann vor mir bekam auch so schon große Augen.
Es war nicht sicher, ob war richtig lagen, aber ich wollte jede Chance ausnutzen, obwohl der Widerstand noch nicht verschwunden war, denn der Mann sah nicht eben aus, als wäre er uns gern behilflich.
»Was wollen Sie von dem Toten?«, wollte er wissen. »Es ist ein normaler Transport. Wir haben nur eine Leiche im Wagen und schmuggeln keine weitere aus der Klinik heraus.«
»Das hat auch keiner gesagt.«
»Und warum sollen wir dann öffnen?«
»Weil wir einen bestimmten Verdacht haben. Mehr muss ich Ihnen nicht sagen.«
Der Brillenträger schwitzte. Hatte er ein schlechtes Gewissen? Es konnte durchaus sein. Es war allerdings auch möglich, dass ihn unser Erscheinen zu stark überrascht hatte. So etwas hatten die beiden noch nicht erlebt. Als hätten sie sich abgesprochen, hoben sie gemeinsam die
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