Im Kerker der schönen Justine
verschwinden zu lassen.« Ich hob die Schultern und deutete damit an, dass ich mit meiner eigenen Erklärung nicht zufrieden war.
Suko auch nicht. »Ich sehe das anders, John. Wenn es so wäre, dann hätte man die anderen Leichen nicht auf eine Müllkippe zu werfen brauchen oder irgendwo anders hin. Oder sehe ich das falsch?«
»Stimmt auch wieder.«
Ich schaute zu Boden, weil ich mich durch nichts ablenken lassen wollte. »Könnte das hier vielleicht ein Versehen gewesen sein? Dass es den Hintermännern aus dem Ruder gelaufen ist?«
»Wäre auch möglich. Der Mann ist gestorben, obwohl man es noch gar nicht haben wollte.«
»So ähnlich.«
Wir konnten diskutieren. Wir konnten uns gegenseitig die Argumente an den Kopf werfen, es brachte uns nichts ein und auch nicht weiter. Am besten war es, wenn wir mit den Verantwortlichen in der Wald-Klinik sprachen.
»Wir fahren«, sagte ich.
»Das mein ich auch.« Suko ging los. Er erreichte die Fahrerseite als Erster.
Aus dem Augenwinkel erlebte ich, dass er die Tür aufziehen wollte, es aber nicht tat. Er stand auf der Stelle, als wäre er festgefroren, und starrte in den Rover.
»Was hast du?«
Suko lachte. »Der Rover ist leer.«
Ich war im Moment nicht aufnahmefähig und fragte: »Was meinst du denn damit?«
»Dass Justine Cavallo verschwunden ist...«
***
Nein, wir hätten es uns nicht denken können. Oder doch? Justine war keine Partnerin, so wie sie es sich immer vorstellte. Sie ging gern ihren eigenen Weg, und das hatten wir hier wieder mal erleben müssen. Es war auch einfach gewesen, bei unserer Ablenkung den Rover zu verlassen und sich in die Büsche zu schlagen. Über ihr Ziel brauchten wir nicht lange nachzugrübeln. Das konnte nur die Klinik sein.
»Wir hätten sie nicht mitnehmen sollen, John.«
Ich hob die Schultern. »Zu ändern ist es nicht. Komm, wir müssen die Kreuzung frei machen.«
Es war in den vergangenen Minuten glücklicherweise kein anderes Fahrzeug gekommen, aber kaum hatten wir den Rover bewegt, da fuhr einer dieser kleinen Transporter – Sprinter genannt – an uns vorbei in Richtung Wald-Klinik.
Wir rollten ihm nach. Beide waren wir sehr schweigsam. Das Verschwinden der blonden Bestie ärgerte uns. Damit hätten wir wirklich rechnen müssen.
Wir blieben dem Sprinter auf den Fersen, der weiter über den Waldweg gelenkt wurde. Manchmal geriet er in den Schatten der Bäume, dann tauchte er wieder auf, und wir waren froh, dass es vor uns heller wurde. Die Klinik würde bald zu sehen sein.
Und so war es auch. Wir schauten auf einen breiten, recht alten Bau mit einem schrägen Dach, aus dem Gauben hervorwuchsen, die allerdings nicht zu groß waren. Es gab einen breiten Eingang, an dem sich das Licht der Sonne auf der Glastür spiegelte. Der Parkplatz vor dem Eingang bot jede Menge Platz.
Wir ließen den Rover ausrollen. Suko stellte den Motor ab. Er stieg nicht aus, denn er schaute sich ebenso um wie ich, aber von einer Justine Cavallo entdeckten wir kein Haar.
»Sie wird sich schon irgendwo hier aufhalten«, sagte er, »und ich wette, dass sie über unser Erscheinen Bescheid weiß.«
»Kann sein.«
Wir stiegen aus und entdeckten mehrere Schilder, die auf Häuser hinter dem normalen Bau hinwiesen. Es waren mehr Erholungsplätze. Die Zufahrt zur Notaufnahme war auf dem Boden deutlich markiert worden.
Wir nahmen den Haupteingang.
In der Glastür spiegelte sich die nahe grüne Umgebung, die dann zerteilt wurde, als die beiden Türhälften zur Seite schwangen und wir freie Bahn hatten.
Eine große und recht lichte Halle empfing uns. Nicht weit entfernt befand sich die Anmeldung. Sie war doppelt besetzt. Dort arbeiteten zwei Männer in weißen Kitteln.
Ein Schild, das nicht zu übersehen war, wies auf einen hinteren Ausgang hin. Um ihn zu erreichen, mussten wir einen Flur durchqueren, aber das ließen wir zunächst bleiben.
Auf gepolsterten Stühlen saßen einige Besucher, die auf ihre Angehörigen oder Freunde warteten. Ein normales Bild eines Krankenhauses wurde uns geboten, und wir hatten es schon oft genug erlebt. Trotzdem brodelte es in unserem Innern, als wir über die grünen Steinplatten des Fußbodens hinwegschritten und auf die von Glaswänden umgebene Anmeldung zusteuerten.
Einer der Mitarbeiter, ein junger Mann mit dünnem Fransenbart, lächelte uns an. Bevor er eine Frage stellen konnte, übernahm ich das Wort.
»Scotland Yard«, sagte ich und zeigte ihm zugleich meinen Ausweis.
Der Typ hieß Kevin, wie ich von
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