Im Kerker der schönen Justine
Ärztin. »Er hat eine gesucht, die so aussieht wie du, glaube ich, und die hat er gefunden. Er wollte etwas Bestimmtes von mir, denn ich sah nicht nur so gut aus, ich habe auch einen hilfreichen Job inne. Ich bin Ärztin...«
»Ha, das weiß ich. Aber was hat das mit seinen Plänen zu tun? Ich begreife es noch nicht.«
»Blut!«, flüsterte die Varela. »Es geht einzig und allein um Blut, denn das braucht er. Und ich kann es ihm besorgen. Ich kann es den Menschen abzapfen und für ihn verwahren.«
»Aber warum braucht er das Blut? Hat er sich jetzt umgestellt? Will er nicht mehr zubeißen?«
»Ich weiß es nicht...«
Justine glaubte ihr nicht. »Oh doch, du weißt es. Du willst es mir nur nicht sagen.« Sie leckte einige Tropfen ab, die aus der frischen Bisswunde nachgequollen waren.
»Nein, nicht wieder beißen. Ich...«
»Dann erzähle mir, was ich wissen will. Es ist doch so einfach, Schwester.« Cavallo lachte spöttisch. »Ja, das kann man fast sagen.«
»Nachschub. Er will Nachschub haben.«
»Für wen?«
»Das hat er mir nicht gesagt. Ich weiß nur, dass er das Blut in seine Welt schaffen will.«
»Sehr gut«, lobte die Cavallo. »Das ist ein Gedanke, mit dem ich mich anfreunden kann. Kennst du seine Vampirwelt?«
»Nein. Aber ich sollte sie erleben. Er wollte jemand um sich haben wie dich damals. Eine, die zu ihm steht und ihn nicht bekämpft.«
»Ja, er denkt oft an die alten Zeiten.« Justine nahm ihren Kopf zurück, ein Zeichen, dass sie nicht mehr beißen wollte und zufrieden war. »Woher stammst du?«
»Wie... wieso...?«
»Es ist dein Name, der mich darauf bringt.«
»Aus Rumänien. Meine Vorfahren stammen aus Rumänien.«
Die Cavallo lachte und legte ihren Kopf zurück. »Ja, das passt. Das passt sogar wunderbar. Rumänien ist das Land der Länder. Die Heimat des Grafen Dracula. Dort hat seine Blutburg gestanden.« Sie fuhr mit den Fingern durch Justine Varela’s blondes Haar. »Ist es echt?«
»Nein.«
»Ist dein Gesicht echt?«
»Ja.«
Die Cavallo winkte ab. »Ein Zufall, eine Laune der Natur, kann ich nur sagen. Aber so sehr du dich auch zusammen mit Mallmann anstrengst, meine Schönheit wirst du niemals erreichen. Denn ich bin perfekt. Ich bin die perfekte Frau. Ich bin das Ebenbild des Schönen. Für mich hat Mallmann mal geschwärmt. Aber er hat mich verloren, und nun sucht er nach einem Ersatz. Er glaubt auch, ihn gefunden zu haben, doch niemand auf der Welt kann sich mit mir vergleichen.«
»Ja, kann sein. Ich glaube auch daran. Ich bin es nicht. Aber ich gehöre jetzt zu ihm, dazu stehe ich. Er hat von meinem Blut getrunken und hat es als köstlich angesehen. Er ist dabei, mich auf den Weg zu bringen, damit ich deinen Platz einnehmen kann. So liegen die Dinge.«
Justine schaute ihre Fast-Doppelgängerin lange an. »Wenn du so vom Blut sprichst, dann muss ich dich fragen, ob du schon mal von ihm getrunken hast.«
Da blitzte es in den Augen der Notärztin auf. »Ja, das habe ich. Ich kann es bestätigen. Ich habe das Blut der Menschen bereits probiert. Und es hat mir gemundet. Es war für mich wunderbar. Köstlicher als der beste Wein.«
»Hast du noch genug davon?«
Valera nickte.
»Es ist das Blut der Menschen, die du zur Ader gelassen hast, nicht wahr?«
»Ich habe es für ihn gesammelt.«
»Und? Hat er es schon?«
»Nein«, flüsterte sie.
Justine Cavallo verengte die Augen. »Wie wird er an das Blut herankommen?«
»Er wird es sich holen. Das hat er mir versprochen. Ja, er wird sich das Blut holen.«
»Das ist gut. Wann?«
»Heute.«
Wäre die Cavallo ein Mensch gewesen, sie hätte tief durchgeatmet. Das brauchte sie nicht. Sie ging nur einen Schritt zur Seite und erkundigte sich nach dem Zeitpunkt.
»Den hat er mir nicht gesagt. Er wird hier erscheinen und sich das Blut holen. Er braucht es für seine Freunde in der anderen Welt, in die er mich mitnehmen will.«
»Wo ist es?«
Die Frage hatte die Cavallo mit scharfer Stimme gestellt, und die Ärztin schrak zusammen.
»Wo?«
Blitzschnell streckte die Varela Justine eine Hand entgegen. »Du kannst es nicht nehmen. Es ist für ihn. Es gehört dir nicht, verdammt noch mal! Ich muss es für ihn aufbewahren.«
Die Cavallo trat der Ärztin ins Gesicht. »Hier bestimme ich, und deine nachgemachte Schönheit werde ich zertrümmern.«
Der Kopf war zur Seite gedreht. Beide Hände hielt sich die Ärztin vors Gesicht gepresst. Sie jammerte, denn im Gegensatz zu der blonden Bestie verspürte sie
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