Im Kettenhemd (German Edition)
Weingenuss, sollten die Waffen lieber verwahrt bleiben.
Lange wurden noch die alten Geschichten bemüht und so ging man, besser man schwankte, erst gegen morgen aufs Lager, um wenigstens noch eine Mütze voll Schlaf zu bekommen. Schlaf würde für die nächste Zeit Mangelware sein, denn das Treiben in einem Heerlager kommt nie zur Ruhe.
3. Kapitel
Im Heerlager
Am Morgen des nächsten Tages hörte man schon früh das Tönen von Signalhörnern und ein ziemliches Geschrei aus der Richtung des Haupttores. Reitende Boten hatten die Kunde von einem überfallartigen Angriff der Engländer auf das nahe gelegene Heerlager der Franzosen verbreitet.
Dietrich war noch müde, aber das Signal rief ihn in die Wirklichkeit zurück. Die Hörner ertönten nur, wenn eine ernste Lage bestand. Er rief sogleich seinem Knappen zu, er möge die Kriegsausrüstung auf die Pferde binden und seine Waffen bringen.
Junker Jörg hatte ebenfalls die Aufregung vernommen und schickte sich an, zu seinen Rittern aufzubrechen. Als sie sich auf der alten, knarrenden Treppe des Wirtshauses trafen, nahm ihn Dietrich am Arm und bat, er möge sich doch noch schonen, denn seine Wunde sei ja noch nicht ganz geschlossen. Er bot ihm an, seine Reiterei genauso gut in die Schlacht zu führen, wie der Junker selbst und mit Ruhm bedeckt zurückzukehren. Jörg hatte ein Einsehen und sagte mit schmalen Augen: »Gut, mein Freund, dann werde ich solange dem schwachen Geschlecht dienen und an dieser Front mein Bestes geben. In einigen Tagen werde ich dann zu euch stoßen.«
»Nun, zustoßen kannst du ja inzwischen etwas üben«, rief ihm Dietrich noch zu und alle Mannen lachten lauthals über das verdutzte Gesicht des Junkers.
Seine Männer hatten sich Dietrich zum Kampfe angeschlossen, und so zogen sie am Morgen aus dem weit geöffneten Stadttor von Vernon. »Haut sie in Stücke!«, riefen beim Ausritt die Stadtsoldaten, salutierten und erwiesen der kleinen Schar die Ehre. Sie ritten im leichten Galopp, so gut es die Packpferde schaffen konnten, denn es war Eile geboten.
Jörgs Hauptleute hatten sich ihm gern angeschlossen. Sie konnten bei der Aufstellung zum Kampf von großem Nutzen sein, hatten sie doch bereits gute Ortskenntnisse in diesem Terrain gesammelt. Sie waren mit ihrem Anführer auch schon mehrmals am Feind und kannten die Schliche dieses normannischen Packs.
Als sie nach einem kleinen Waldstück die Lichtung erreichten, begegnete ihnen eine Gruppe Mönche, die sich ebenfalls auf das Heerlager zu bewegte. Die waren sicher aus der nahe gelegenen Benediktinerabtei und wollten Verwundete pflegen. »Gelobt sei der Herr!«, rief die kleine Gruppe um Dietrich den Mönchen zu, die ihnen Gottes Segen erteilten und unbeirrt ihres Weges gingen. Schnell ritten die Krieger an ihnen vorüber und erblickten alsbald die im hellen Tageslicht gut zu erkennenden Zelte der Ritter.
Als sie gegen Mittag des 20. Juni 1372, nach dem gregorianischen Kalender, das Lager erreichten, wurden sie im allgemeinen Durcheinander kaum wahrgenommen. Viele Bauern aus der Umgebung, die hier ihren Frondienst leisteten, waren mit Ausbesserungen und der Erhöhung des Walls beschäftigt. Die Männer vom Schanzbau schlugen stärkere Pfähle ein und die Weidenflechter verstärkten die Wehr mit Sandfüllungen. Augenscheinlich hatte die Reiterei des Feindes bei diesem Angriff mehrere Breschen in die Befestigung geschlagen. Dietrich beeilte sich, zum Zelt des Befehlshabers zu gelangen, und befahl Cedric, alles kampfbereit zu machen. Die Hauptleute folgten ihm zum Lager der Ritter und waren eine gute Eskorte.
Am prächtigen Zelt des obersten Befehlshabers der Truppen, und Vetter des Königs, angekommen, erwartete man Dietrich schon. Die wichtigsten Kommandanten des Heeres standen um einen großen Kartentisch, und Pagen gossen die Becher voll. Die Blicke dieser Edlen richteten sich nun auf Dietrich, der in gewohnter Manier mit voller Rüstung und geöffnetem Visier seines Schaller-Helms einen beeindruckenden Anblick bot. Zur Linken und Rechten ritten etwas hinter ihm die beiden Hauptleute. Der Riese war angewiesen, die Feldstandarte derer von Seidenpfad zu führen und, wenn nötig, im Kampf mit seinem Leben zu verteidigen. Diese Aufgabe hatte dieser nur zu gerne übernommen, bot sie doch die Möglichkeit, sich in der Schlacht besonders auszuzeichnen, aber auch bei einer Heerschau die Damenwelt zu beeindrucken.
»Baron von Seidenpfad«, rief der Heerführer, »habt Ihr denn den Junker Jörg zu
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