Im Kettenhemd (German Edition)
am wenigsten auf, und die Holzkisten gleich neben ihm verdeckten noch etwas die Sicht.
»Hauptmann, seid Ihr da?«, zischte er.
»Bin da und höre dich gut«, gab Karl zur Antwort. »Erzähle, warum du hier bist.«
»Mich hat beim Angriff auf die Kutsche ein Armbrustbolzen getroffen. Das Ding drang durch meine Kettenhaube seitlich in den Hals ein. Ich verlor kurz die Besinnung und kippte nach vorn. Als ich zu mir kam, fand ich mich in der Kutsche wieder. Die wollten mich haben, um mich zum Sprechen zu bringen. Den Bolzen hat ihr Wundarzt entfernt. Hatte Glück, dass nichts Wichtes verletzt war. Als die mich foltern wollten, habe ich mich auf meinen Lehnsherrn Nagelli berufen. Dieser Name hat mir das Leben gerettet, steht der doch, wie ich jetzt weiß, auch in englischen Diensten.«
»So, da braucht man nur den richtigen Namen zu nennen, und dann lassen einen die Engländer aus ihren Fängen. Das soll ich dir glauben, Kerl?«, brummte Karl.
»Hört den Rest noch, dann wisst Ihr alles. Als sie den Grafen holten, hat der mich gefragt, ob ich für ihn bei den Français spionieren würde. Ich wollte mein Leben retten und habe zugestimmt. In den nächsten Tagen soll ich zum französischen Heer stoßen, um dort etwas über die Angriffspäne zu erfahren.«
»Was willst du denen denn erzählen, wo du die ganze Zeit warst? Die werden dich womöglich hängen«, gab Karl zu bedenken.
»Ich muss eben etwas sehr Glaubwürdiges berichten. Da fällt mir schon was ein«, gab Bernard mit sonnigem Gemüt zur Antwort.
Dietrich konnte sich nicht länger zurückhalten und drängte sich nun ebenfalls ans Fenster.
»He, Bernard, ich bin Dietrich von Seidenpfad, Hundertschaftsführer der schweren Ritter, und ich frage dich, willst du dich deinem Schwur gemäß für die Sache der Franzosen einsetzen?«
»Mon dieu, Monsieur, auch Ihr?«, Bernard wurde blass und wollte sich verneigen, aber Karl riet ihm, sich ganz normal zu verhalten. Plötzlich jedoch zuckte Bernard zusammen, als ihn jemand an der Schulter packte.
»Was tust du hier?«, herrschte ihn plötzlich und unerwartet ein englischer Eisenhut von der Seite an. Niemand hatte bemerkt, dass sich der Mann auf seinem Rundgang der Ecke, an der die kleine Unterhaltung stattfand, genähert hatte.
»Mit wem redest du denn da, du spanischer Bastard?«, krächzte der Kerl in kaum verständlichem Walisisch.
»Oh, verzeiht, Herr Hauptmann, ich übe meinen Gesang für die Minne und bin dann immer ganz bei der Sache. Ich habe Euch gar nicht kommen hören.« Bernard wusste nicht, wie lange der schon zugehört hatte und was er von dem Gespräch hatte hören können.
»Für die Minne!«, spottete der Kerl. »Wem willst du denn etwas ›Glaubwürdiges‹ berichten, du Paradiesvogel?«
Der hatte wohl schon zu viel gehört und konnte ihm ziemlich gefährlich werden. Er blickte sich um und sah entlang der Kerkermauer niemanden, der in seine Richtung sah. Gleich hinter den Kisten war etwas Raum und so fackelte Bernard auch nicht lange. Sein Dolch war scharf und drang tief in den entgeistert und mit weit aufgerissenen Augen blickenden Mann ein. Der Stich fuhr bis zur Herzspitze hinauf und so kam auch kein Laut mehr über die Lippen dieses Soldaten. Für einen Moment spannte sich sein Körper wie eine Sehne, worauf er dann in sich zusammensackte. Noch bevor Blut über Bernards Hände lief, zog er den Dolch aus der Wunde und verbarg den leblosen Körper hinter den Kisten. Hier sollte den Engländer vorerst niemand finden, hoffte er.
»Ich musste ihn töten!«, rief er hinauf zum Kerkerfenster. »Jetzt ist Eile geboten, Messieurs. Ich muss schnell von hier verschwinden.«
Dietrich rief ihm zu: »Berichte dem Heerführer von unserer Kerkerhaft und verhindert den Beschuss dieses Gebäudes!«
Bernard ritt schon nach kurzer Zeit durch das Haupttor des Chateaus und konnte dank seines Geleitbriefes ohne Weiteres passieren. So hatte Graf Nagelli, ohne dass der es wollte, ihm das Leben gerettet. Er ritt wie der Teufel und war auch schon bald außer Reichweite der Burg.
Dietrich war hochzufrieden mit dem Verlauf dieser Sache und wurde nur durch das Geschrei von draußen aus seinen Überlegungen gerissen. Sicher hatte man den toten Soldaten gefunden, dessen Ableben sich zunächst niemand erklären konnte.
Da war also dieser verräterische Graf am Scheitern seiner Mission schuld und somit auch am Tod seiner tapferen Krieger. ›Wenn es Gott und dem Schicksal gefällt, werde ich diesen feinen Herrn bald vor meine Klinge
Weitere Kostenlose Bücher