Im Kettenhemd (German Edition)
Karten und die milden Nächte ließen das Übernachten im Freien ganz angenehm erscheinen. Auf der riesigen Pferdekoppel der Engländer entstanden in Windeseile Sammelplätze mit Überdachungen. Am Schmiedeplatz loderten bereits am nächsten Tag die Feuer und das Hämmern der Waffenschmiede klang wie Musik in den Ohren der Männer.
Alsbald war auch die Küche zur Stelle und die hungrigen Mäuler konnten gestopft werden. Das Leben im Heerlager war überwiegend bestimmt von Reparaturarbeiten an den Rüstungen und Waffen, der Pferdepflege und insbesondere von den üblichen, aber allseits beliebten Übungs- und Schaukämpfen. Letztere zogen immer wieder viele Schaulustige an, und oft wurde Streit und Missgunst gleich mal eben vor allem Volk ausgetragen. Nicht selten mussten die Hauptleute die Kontrahenten in die Schranken weisen, denn die Kampfkraft der Männer sollte besser dem Feind als dem Freund gelten.
Auch die Knappen wollten den Rittern in nichts nachstehen und veranstalteten an der alten Schanze, gleich hinter den Werkstätten der Bogenmacher, einiges Gerangel. Der Boden war hier locker und so konnte man sich beim Sturz nicht sonderlich verletzen. Cedric war schon zweimal siegreich vom Platz gegangen. Drei Livres hatten ihm die Schildkämpfe eingebracht. Hierbei wurden nur die Schilde ohne weitere Waffen eingesetzt. Der Gegner musste durch Drücken und plötzliches Nachgeben aus dem Gleichgewicht gebracht werden. Meist beendete ein Fußstoß, der den Anderen zu Boden brachte, die Partie. Auch im Axtwerfen traten die jungen Kerle gegeneinander an. Hier konnte Ulrich von Lechtenbergs Knappe die anderen weit in den Schatten stellen. Er warf die Axt mit einer Drehung des ganzen Körpers, dass den Zuschauern der Mund offen stand. Cedric war froh, den Rotschopf damals nicht auf Äxte gefordert zu haben, denn das wäre ihm wahrscheinlich schlecht bekommen.
Die Mönche der nahen Benediktinerabtei gingen von einem Heerhaufen zum anderen und segneten die Soldaten des Königs. Gottes Beistand sei ihnen gewiss, versicherten die Mönche den kampfbereiten Männern.
Den bevorstehenden Angriff sahen diese Krieger als Endkampf und somit auch als Beendigung des Krieges. Ihr Siegeswille wurde noch durch die Aussicht auf Beute und den wohlverdienten Restsold gestärkt. Durch Wetten und Spiel waren jedoch viele schon so verschuldet, dass meist alles Geld nicht reichte, um sich auszulösen. Hatten die Kerle ordentlich Schulden bei ihren Kameraden, so war dies im Kampfe meist von Vorteil, denn niemand wollte die Kuh verlieren, die er noch zu melken gedachte.
Am Morgen des 25. August im Jahr des Herrn 1372 machte sich das riesige Heer der französischen Streitmacht bereit, die Mauern des Chateaus einzurennen. Die Entschlossenheit aller Einheiten war de Dijon nicht verborgen geblieben, und so sandte er in einer Depesche an seinen Vetter und König die Botschaft vom bevorstehen Sieg.
In ihrem Kerker sannen Dietrich und Karl über einen durchführbaren Plan nach, um die Gastlichkeit der Engländer nicht länger in Anspruch nehmen zu müssen. Die drei Gefangenen, denen Dietrich die maurische Riemenschließe überlassen hatte, waren mit ihrem Werk auch fast fertig. Sie waren französische Seeleute aus Cherbourg. Englische Schiffe hatten ihren kleinen Segler aufgebracht und sie des Schmuggels beschuldigt.
Karl hatte sich mit ihnen über Gott und die Welt unterhalten, schon um sich etwas die lange Weile zu vertreiben. Die Männer könnten unter Umständen noch von Nutzen sein, denn zupacken hatten sie gelernt.
Am Mittag dieses Tages wollte Dietrich sich wieder ein Bild von der Lage im Burghof machen und auch etwas frische Luft atmen. Er bat Karl, ihm behilflich zu sein, um das hoch liegende Kerkerfenster zu erreichen. Als er dann seinen Blick über das Geschehen dort draußen schweifen ließ, sah er auch wieder diesen Kerl mit dem mehrfarbigen Hut der Navarresen. Plötzlich schoss es ihm durch den Kopf. Er sprang von Karls Rücken und flüsterte ihm zu: »Schnell steig zum Fenster hoch und sieh dir linker Hand den Mann mit dem Hut der Navarresen an.« Es war ihm in diesem Moment egal, was andere denken könnten. Er hoffte, Karl würde diesen Kerl ebenfalls erkennen. Nach kurzer Zeit stand fest: Der Mann war einer der Männer des Grafen Nagelli.
»Der Hund gehörte zu der Rotte, die der englischen Kutsche nachgeritten sind. Hatte dieser Jean Lagere nicht berichtet, dass er der einzige Überlebende sei?«, sagte Karl.
»Ja«, entgegnete
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