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Im Kinderzimmer

Im Kinderzimmer

Titel: Im Kinderzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances Fyfield
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er mich beobachtete und wie meine undeutlichen Worte auf ihn wirken mußten. Ach, was hätte ich nicht um die Gnade der Trunkenheit gegeben statt der Verwirrung, der geschmacklosen Bemerkungen, 255
    gelegentlichen Obszönitäten und der glasklaren Erinnerung an belanglose Witze, die an die Oberfläche meines Alkoholpegels stiegen und mich dem, was ich wirklich will, weiter und weiter entrückten.
    Als ob ich überhaupt noch wüßte, was ich will. Ich trank, ich irrte ab, und in der Folge gab ich allen Forderungen statt. Mit dem Ergebnis, daß später am heutigen Abend Sebastian an dieser Adresse erscheinen und Mark für ein paar Tage entführen wird. Die beiden werden sich ein paar schöne Tage machen, während für uns beide weiterhin die Bedenkzeit läuft. Sehr witzig. Die Männer scheinen in diesem Haus zu gewinnen.
    So meine trüben Gedanken, während ich Marks Sachen packte, oder vielmehr tat dies vor allem Mrs. Harrison: ich weiß noch nicht einmal, wo die Kleider meiner Kinder zu finden sind. Miniatur-Anziehsachen für einen Miniatur-Sebastian. Ich stopfte sie in eine Tasche, wünschte mir, Mark käme herein und erklärte, er ziehe meine Gesellschaft der seines Vaters vor, wohl wissend, daß er das nie sagen würde, wünschte, ich hätte es anders verdient, als, gerade in dem Moment, in dem mir beinahe die Tränen kamen, Mrs. Harrison, schmallippiger als sonst, dazukam, um zu schauen, ob ich die Dinge auch unter Kontrolle hätte. Das Packen, nicht mich selbst. Und, um etwas »anzusprechen«. Ihre Gegenwart war der unwillkommene Beweis meiner eigenen Überflüssigkeit. Etwas »ansprechen« bedeutet bei ihr immer eine längere Erörterung, und sie wählt immer den falschen Zeitpunkt. Ich wollte nichts weiter, als daß Sebastian endlich käme und wieder verschwände. Ich wollte nichts hören, nichts wissen.
    »Mrs. Pearson«, begann sie und nahm Dinge auf, um sie dann wieder hinzulegen. »Mr. Harrison hat gemeint, ich sollte mal etwas ansprechen…«
    »Wieso, was ist mit ihm? Hat er die Sprache verloren?« Das überging sie. Harrison ist ein einsilbiger Mensch.
    »Wegen nebenan«, fuhr sie unbeirrt fort. Mir fiel wieder die rote Flagge auf dem Eisengitter ein, dachte zugleich daran, daß das nachbarliche Schweigen demnächst gebrochen werden müßte. David Allendales Geburtstag stand bevor. Eine gesellschaftliche Verpflichtung. Bald schon.

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    Sie räusperte sich. »Mrs. Pearson, haben Sie denn in der Zwischenzeit mal Jeanetta gesehen? Überhaupt mal irgendwo gesehen? Ich dachte, vielleicht war ja Mrs. Allendale mal da und hat Sie besucht, und wir zu beschäftigt, um es mitzubekommen. In letzter Zeit, meine ich, vielleicht mal am Abend? Mal erzählt, wie’s geht?« Der Rede-fluß stockte. Sie weiß ganz genau, daß kein Mensch, der dieses Haus betritt, ihrem Adlerauge entgeht und nicht einer kritischen Prüfung unterzogen würde. Ob zu dessen Vor- oder – wie in Katherines Fall –
    Nachteil.
    »Nein. Weder Mutter noch Tochter.« (Soweit ich mich erinnere, die Tage verschwimmen so.) »Moment. Doch, habe ich. Oder? Moment. Ich habe sie aus dem Haus gehen sehen. Beide. Ihn nach Hause kommen sehen. Mit Jeremy. Doch, ich meine, ich hätte sie alle mal gesehen.«
    Sie sackte förmlich in sich zusammen vor Erleichterung. »Ganz bestimmt? Also auch die Kleine? Auch Jeanetta?« Sie ließ nicht locker, wollte es genau wissen.
    »Also, ganz sicher bin ich mir nicht. Warum fragen Sie? Warum ist das so verdammt wichtig?«
    »Ich mach mir Sorgen um das Kind«, erklärte Mrs. Harrison lahm, nahm dann neuen Anlauf. »Wirklich große Sorgen. Nichts mehr!
    Kein Ton! Verschwunden. Das gibt’s doch nicht, daß ein Kind hier in der Straße wohnt und einfach spurlos verschwindet. Vielleicht ist sie krank. Ich habe paarmal drüben geklingelt und angeboten, sie mit rauszunehmen. Immer sagt er: »Tut mir leid, sie ist unterwegs, nett von Ihnen.« Aber wieso sehe ich sie nicht kommen und nicht gehen?
    Ich werde nicht einmal mehr gefragt, ob ich mal babysitten könnte, wie sie das früher getan haben. Man sollte doch meinen…«
    »Hören Sie, das geht Sie nichts an. Verstehen Sie denn nicht, daß die sich wahrscheinlich rar machen wegen der Geschichte mit der Halskette?«
    Ich stopfte eben mit aller Gewalt ein Spielzeug in Marks Tasche.
    Sie fuchtelte hilflos mit den Händen, wußte nichts mehr zu sagen, blickte gequält drein, öffnete den Mund, brachte aber nichts heraus.
    In diesem Augenblick schob Mark sich ins Zimmer und

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