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Im Kinderzimmer

Im Kinderzimmer

Titel: Im Kinderzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances Fyfield
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lugte hinter ihrem Rücken hervor. Ich spürte seine ungeduldige Sehnsucht, weg 257
    zu sein, begierig auf die Tage mit dem Vater wie eine Frau vielleicht auf Schmuck oder einen Liebhaber. Ungeduldiges Verlangen stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Es tat so weh, daß mir der Atem stockte, auch wenn mir klar war, daß ich es einzig und allein mir, meiner Unzulänglichkeit zuzuschreiben hatte. Trotzdem ließ mich der Schmerz ärgerlich auf ihn werden. Rückblickend muß ich zugeben, daß ich mich mieser nicht hätte verhalten können.
    »Ich habe sie gesehen«, sagte Mark. »Sammy auch.«
    »Wen?« Das alles interessierte mich so wenig, daß ich es bereits schon wieder vergessen hatte: Katherine, Jeanetta. Was bedeuteten sie schon im Vergleich zu meinem Sohn.
    »Wo?« Mrs. Harrison stürzte sich regelrecht auf den Bengel, packte ihn an den Schultern. Das ärgerte mich noch mehr. Finger weg von diesem Sohn, der sich mir nicht zu nähern wagt, aus Angst, ich könn-te ihm seinen Spaß verderben. Er wand sich, schüttelte sie ab – sicheres Indiz für Unbehagen. Die beiden verbargen irgend etwas.
    »Im Garten«, murmelte er schließlich ganz leise. »Sie hat ge-träumt.«
    Mrs. Harrison packte ihn am Arm. Er hatte Angst, aber ich wußte nicht wovor. Sie brüllte ihn an, und ich wußte nicht, warum.
    »Was heißt das, geträumt? Was hast du gesehen? Wann? Hast du nebenan im Garten spioniert? Wie bist du da reingekommen? Ich hab dir doch gesagt, du sollst nicht auf die Mauer hinten steigen, die ist nicht sicher…«
    »Nicht sicher«, wiederholte ich automatisch. Sie sah mich böse an.
    Beide warteten wir auf Antwort. Mark setzte diese Trotzmiene auf –
    wie sein Vater –, dachte wohl daran, daß sein Vater jeden Moment kommen mußte und daß er sich jetzt keinen Ärger einhandeln durfte.
    »Saß auf den Stufen. Auf ihren Stufen. Man kann rübersehen von unten, so gerade eben. Ich wollte Mieze suchen, die war wieder krank. Ich hab den Kopf durch dieses Zaun-Ding gesteckt.« Er meinte das Spalier mit der halbtoten Kletterpflanze.
    »Hast du mit ihr gesprochen?« fragte Mrs. Harrison barsch. »Wie sah sie aus?«
    Er trat nach dem Fußboden, trat von einem Bein aufs andere, verärgert, aber eingeschüchtert. »Sie hat geträumt«, wiederholte er. »Sie 258
    hat nicht geantwortet, als ich sie gerufen habe. Saß auf den Stufen, die wo zur Küche führen. Glaub ich.«
    »Die zur Küche führen«, verbesserte ich ihn.
    Die Unterbrechung steigerte seine Hast und Ungeduld. Mrs. Harrison tat das ihrige: »Was hat sie denn gespielt? Was hat sie denn gemacht? Wie lang ist das her?«
    Er dachte angestrengt nach. »Ein oder zwei Tage. Oder drei. Oder vier. Weiß nich, schaut mich doch nich so an! Ach, wann kommt denn der Papa endlich? Also gut. Ich habe ihr zugerufen, hallo!, oder so etwas, aber sie hat nicht gehört oder wollte nicht. Ich dachte, die spielt sich auf. Saß da einfach in der Sonne auf den Stufen, in so einem komischen langen Kleid. Gesungen hat sie. Nur eine Minute lang. Dann kam ihr Papa raus, und sie hat aufgehört. Ich bin gegangen. Er mag es nicht, wenn jemand in seinem Garten ist. Oder ihm zuguckt.«
    »Na, dann ist doch alles in Ordnung«, sagte ich gereizt. »Hat sich wieder mal verkleidet. Fühlte sich immer schon zu anderer Leute Sachen hingezogen, das Kind.«
    Mark schüttelte den Kopf, wollte etwas sagen, traute sich aber nicht.
    »Mrs. Pearson«, sprach die gute Harrison und baute sich vor mir auf mit geballten Fäusten wie ein Boxer vorm Match vor seinem Herausforderer, »Mrs. Pearson… weshalb ich überhaupt davon angefangen habe, ist nämlich, daß Samantha meint, sie hätte Jeanetta letzte Woche gesehen, sie weiß es nicht genau, Sie kennen das ja bei ihr. Die beiden Lauser« – sie deutete auf Mark, der errötete – »haben versucht, nach nebenan zu gelangen. Der eigene Garten wohl nicht gut genug… bloß meint Samantha, Jeanetta sieht schlecht aus. Nicht wie früher, wissen Sie, nicht mehr die kleine Dickmadam. Samantha sagt, sie ist dünn wie eine Klapperschlange. Wie eine kleine Ratte.
    Es nützt alles nichts, Mrs. Pearson, Sie müssen sich unbedingt nebenan nach ihr erkundigen. Ich hab’s versucht. Irgend etwas stimmt da nicht. Sie müssen sich darum kümmern. Wann könnten Sie mal nach nebenan gehen?«
    Wenn es kommt, kommt es knüppeldick, oder? Es war ihr Tonfall vor allem, der das bereits übervolle Faß – Trauer, Wut, Enttäu-259
    schung, Mark, Sebastian, schlaflose Nächte voll

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