Im Kinderzimmer
nicht gut.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, daß sie etwas dagegen hätte, wenn du sie wecktest. Mir geht’s auch nicht besonders, falls es dich interessiert!«
Er lachte eine Idee verlegen. »Du verstehst mich falsch, Mutter. Es geht ihr auf andere Weise schlecht. Sie ist wahrscheinlich schwanger. Wir sind uns noch nicht ganz sicher.«
»Oh!« Sophies sämtliche Befürchtungen, Ängste und Sorgen wi-chen purem Entzücken. Vergessen die Einbrecher, als David diese Trumpfkarte ausspielte. Sicherlich würde ihr Sohn jetzt wieder ihre Hilfe brauchen. »Ach, mein lieber David! Gut gemacht! Ja, ja, dann will ich sie nicht stören.«
»Hör zu, Ma. Es ist drei Uhr morgens. Ich kann jetzt hier nicht weg, kann die Kinder nicht alleine lassen. Ich komme morgen vormittag vorbei.«
»In wenigen Tagen wirst du vierzig«, bemerkte nun Sophie auf die für sie charakteristische, unvermittelte Art, die aber nichts weiter zu bedeuten hatte, als daß sie das Gespräch ungern schon abbrechen wollte.
»Ja, ich weiß, Mutter. Geh wieder ins Bett.«
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Sie war vollkommen beruhigt und plötzlich müde. »Ich habe noch kein Auge zugetan! Ja, ja, schon gut. Schlaf gut. Gib Katherine einen Kuß von mir. Wiederhören.«
David legte den Hörer auf die Gabel des Telefons, das auf dem Nachttisch stand. Die Matratze neben ihm war leer. Eigentlich konnte er seiner Mutter dankbar sein – für ihre erste Störung, nicht diese zweite. Denn er hatte sein Eigentum, hatte die Seinen in Sicherheit gebracht, dank ihr war alles wieder hinter Schloß und Riegel. Jeremy schlief. Wenn Jeremy schlief, konnte ihn nichts stören. Jeanetta war wieder, wo sie hingehörte – außer Hörweite –, und er vernahm mit nur leichtem Unbehagen von oben Katherines gedämpftes Rumoren, ihre Schritte auf dem Dachboden, auf und ab, auf und ab. Das verzweifelte Rütteln an der verschlossenen Tür hatte aufgehört. Sie hätte es wissen müssen. Ein Jammer, daß ihr immer wieder eine Lektion erteilt werden mußte, kaum daß sie endlich begriffen zu haben schien. Als er langsam in den Schlaf hinüberglitt, fiel ihm ein, daß der rote Umhang noch auf dem Eisengitter hing und machte sich im Geiste eine Notiz, daß er ihn am Morgen entfernen müßte.
So viel zu tun.
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16
»Liebst du mich?« Frage meines mir angetrauten Ehemanns in einem anderen Leben, vor zwei Jahren.
»Laß doch den Blödsinn! Schlaf jetzt!«
So in der Art habe ich geantwortet, abfällig. Das fiel mir um vier Uhr in der Früh ein; ich lag wach. Vier Uhr morgens ist die Stunde der Wahrheit, in der mich Schwermut befällt und alles heimsucht, was ich nie wissen oder worüber ich nie nachdenken wollte, Schlüs-se, die ich nie gezogen habe.
Dann rechne ich mir vor, wie viele Gläser ich am Abend zuvor getrunken habe, in dem aberwitzigen Versuch, mir weiszumachen, daß Schlaflosigkeit und Alkoholkonsum in keinem Zusammenhang stehen – eine Rechnung, die nach drei Gin, einer halben Flasche Wein, noch drei Gin… nicht mehr aufgehen will. Dabei ist das doch gar nicht so viel, aber nein. Der Selbstbetrug löst sich auf im eklig-süßen Nachgeschmack auf der Zunge, der nicht lügt und der Wasser zu Nektar werden läßt. Manchmal falle ich danach in einen bleiernen Schlaf, doch in den Zwitterstunden leiste ich meinen Offenbarungs-eid, und er fehlt mir. Sein warmer Rücken, vor allem, und die Gesprächsfetzen. Die kurzen Vereinigungen von vorne. Hast du mich geliebt? Hast du mich jemals wirklich geliebt?
Es hat ihn nicht immer kalt gelassen; mit dem Mist habe ja ich angefangen. Indem ich mich langweilte, mißgelaunt war, nicht ausgehen wollte, obwohl ich das Haus hasse, indem ich ihn abwies, nichts als Zahlen, Klienten und Steuern im Sinn, indem ich die Kinder überging, genau so, wie man mich – überaus höflich und liebenswürdig wohlgemerkt – stets übergangen hatte. Ein dank Personal wie geschmiert laufender Haushalt – der meiner Kindheit nicht minder als der, den ich geschaffen habe. Keine Verantwortung für die Mutter. Eine Nebenwirkung privilegierten Lebens, wer weiß, jedenfalls hat es mir durch Mangel an Erfahrung eine ungeheure Angst vor Nähe beschert, die mich veranlaßt, alles so distanziert und förmlich wie möglich zu halten. Ich beginne einzusehen, daß die Männer heute mehr erwarten, daß sie ebenso unter geänderten Ansprüchen leiden wie wir Frauen auch. Sie sehnen sich nach Streicheleinheiten und 253
Geborgenheit, nicht nur nach Köpfchen. Sie hoffen, von uns mit
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