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Im Kinderzimmer

Im Kinderzimmer

Titel: Im Kinderzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances Fyfield
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sie doch nur die Bilderflut im Innern abstellen könnte, aufhören könnte, wie das reinste Kind, wie Katherine, in Farben und Bildern zu denken, hilflos der eigenen Phantasie ausgeliefert. Ah, da haben wir doch die Nummer. Sie wählte. Sie hatte ihren kleinen Spruch in energischem Berufston schon zur Hälfte abgespult, ehe sie sich der Feindseligkeit am anderen Ende der Leitung bewußt wurde. Oder die Frau konnte ihr nicht recht folgen.
    »K’thrine A’dale? Schwester? Wieso? Ah ja, doch, doch. V’stehe.
    Wieso rufen Sie da mich an?«
    »Ja, tut mir leid, daß ich Sie störe…«
    »Das macht nichts. Mich ruft nie jemand an. Schade, ei’gntlich.
    Was wollten Sie gleich wieder? Nein, glaub nicht, daß sie weg sind.

    293
    Wer ist da? Hoppla, tschuldigung.« Es folgte ein dumpfer Aufprall, als wäre irgend jemand oder irgend etwas gefallen. Mary hielt sich den Hörer weiter vom Ohr weg. Dann ein überlautes Räuspern.
    »Hoppla«, sprach die Stimme, verfiel in ein Gackern, das von einer auf den Mund gelegten Hand erstickt wurde.
    »Vielleicht könnte mir Mr. Pearson Thorpe weiterhelfen?« versuchte es Mary mit der Geduld langjähriger Erfahrung noch einmal.
    Aus dem Gackern wurde ein verächtliches Schnauben.
    »Könnte? Und wie er könnte! Der is abgehaun.«
    »Dann vielleicht irgend jemand, der meine Schwester gesehen hat.
    Tut mir leid, daß ich so hartnäckig bin, aber ihr Telefon scheint außer Betrieb zu sein…«
    »Aha.« Das geräuschvolle Atmen angestrengten Nachdenkens. Die Frau ist betrunken, dachte Mary. Na, da war ja Katherine bedient mit solchen Nachbarn und dem wie auch immer gearteten Ärger mit den Kindern. »Wiss’n Se was«, meldete sich endlich die Stimme wieder, sprach jetzt hastig, betont. »Sie sollten mit Mrs. Harr-i-son reden, nich mit mir. Die weiß genau B’scheid, was nebenan los is. Genau B’scheid.«
    »Bescheid worüber?«
    »Nix besonderes, aber sie macht sich viel Gedanken. Ich hol sie mal. Gleich jetz’. Moment mal. Mir isses nämlich piepegal, was nebenan is, schietegal. Also, Moment mal…«
    Auf diesem Umwege, knapp ehe ihr der Geduldsfaden riß, kam Mary an einem Sonntagabend mit der wildfremden Mrs. Harrison ins Gespräch, und so kam es, daß die beiden einander unbekannten Frauen sich gegenseitig beruhigten. Es war alles ganz einfach. Mrs.
    Harrison beglückte Mary Fox mit einem Wortschwall und goß ihr sämtliche Sorgen ins Ohr, die sie bei ihrer Arbeitgeberin nie hatte anbringen können, weil die nämlich nicht zuhörte. Die Sorgen waren durch die lange Inkubationszeit zu unverständlicher Wirrnis gedie-hen, im Hintergrund geiferte der Fernseher. Sie erzählte lang und breit und aufgeregt davon, wie sie die Große, Katherines Erstgebore-ne, mindestens so viele Wochen nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte, wie die Kleine Jahre zählte. Und der Junge, sprudelte es weiter, da wär alles bestens, doch, doch, dem gehe es blendend, immer 294
    mit dem Papa unterwegs. Sie holte Luft und machte weiter mit Geschichten, die die Kinder erzählten von einer ganz abgemagerten, kaum wiederzuerkennenden, sich selber vorsingenden Jeanetta im Nachbargarten, wodurch Mrs. Harrison ungewollt den Eindruck erweckte, das sei erst gestern gewesen. Dann gab es die Neuigkeit von einer Party, die die Allendales am Dienstag – oder vielleicht doch Mittwoch? – geben wollten. Eine Flut von Informationen, ein Sturz-bach in befremdlichem Dialekt intonierten Geplappers. Mrs. Pearson Thorpe sei eingeladen, sagte Mrs. Harrison, und dann würde man ja sehen. Mary traute Mrs. Thorpe keine sonderlich scharfe Beobach-tungsgabe zu, in welchem Zustand auch immer. Eher nebenbei nahm sie zur Kenntnis, daß sie selbst nicht zur Party eingeladen worden war. Mrs. Harrison schloß ihren Bericht mit der unverständlichen Episode von einem Kerl, der angeklopft hatte und der einen Umhang trug, der Mrs. Harrison irgendwie bekannt vorkam.
    »Jeanetta hat sich doch immer so gern verkleidet«, erklärte sie.
    »Wie ihre Mama«, bemerkte Mary nach einer klitzekleinen Pause trocken.
    Allmählich hegte sie den Verdacht, das Nachbarhaus sei das reinste Irrenhaus, und bereute ihren Anruf ernstlich. Nichts von dem, was sie da erzählt bekam, ließ unüberhörbare Alarmglocken schrillen.
    Und die Gute war gar nicht mehr zu bremsen, so daß Mary schließ-
    lich Mitleid mit ihrer Schwester hatte, die in unmittelbarer Nachbarschaft dieser beiden Vetteln wohnen mußte. Es war allen Ernstes das Wort Vettel, das ihr in den Sinn kam,

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