Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Kinderzimmer

Im Kinderzimmer

Titel: Im Kinderzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances Fyfield
Vom Netzwerk:
streunenden Katzen gesehen habe. Er fragte sich durch Läden und Kneipen. Wie eine Gebetsmühle leierte er seine Fragen herunter und gab sonst kaum etwas von sich als »Oje, oje!« oder machte merkwürdige Ge-räusche zwischen Häuserschluchten und an Kanaldeckeln. Einer nicht nachvollziehbaren Logik folgend, verzichtete er darauf, im Imbiß unten im eigenen Haus zu fragen: die hatten zuviel zu tun, und außerdem wären sie bestimmt so freundlich gewesen, ihm seine Tiere zurückzubringen, wenn sie sie gefunden hätten.
    »Ich begreife das nicht«, sagte er sich wieder und wieder, nachdem er zurückgekehrt war. »Ich begreife das einfach nicht. Wer sollte einbrechen, nur um die Katzen mitzunehmen? Nicht die Anlage, nicht den Fernseher, nur die Katzen. Ich begreife es nicht.«

    297
    Matilda, schweigsam und nervös, war jedesmal, wenn er etwas sagte, zusammengezuckt. Er merkte es nicht.
    »Vielleicht sind andere genauso tierlieb wie du!« hatte sie zuletzt gefaucht und hatte sich abgewandt.
    Weil er sich im Bett hin und her gewälzt und vor sich hin gemur-melt hatte – das nahm er jedenfalls an –, war sie schließlich auf die selten gebrauchte Besuchercouch umgezogen und am nächsten Morgen früh aufgebrochen. »Bin weg für heute«, verkündete ihr Zettel, in nicht unfreundlichem Ton. Bis dann. Normalerweise hätte ihn eine solche Nachricht bekümmert, doch unter diesen Umständen lag ihm nichts an ihrer Gesellschaft.
    Irgendwann ging ihm auf, daß keiner, der gezielt einen Karton mit Kätzchen entwendete, sie irgendwo in der Nähe unterbringen würde, wo sie die Besitzer mit Leichtigkeit wiederfänden. Und aus welchem Grund immer diese eigenartige, geschickt durchgeführte Aktion – ob via Dach oder Wohnungstür, war ihm ein Rätsel – stattgefunden hatte, er hoffte bloß, daß das Motiv nicht bösartiger Natur gewesen war. Eine Mission, die ihn in trostlose Gegenden geführt hatte, hatte ihn einmal Zeuge greulicher Szenen werden lassen: Katzen, die ge-steinigt wurden, Katzen, die in Parafin getaucht wurden und… Gegen Abend war es ihm gelungen, sich derartige Schreckensvisionen auszureden und sie mit tröstlichen Bildern der ganzen flauschigen Menagerie zu ersetzen, Kätzchen vor einem Kamin vielleicht, besser untergebracht als hier bei ihnen. Matildas Schweigsamkeit war nichts Ungewöhnliches. Sonntagnacht hatte er immerhin geschlafen, wenn auch unruhig. Im Morgengrauen war er aufgewacht und hatte sich bittere Vorwürfe gemacht wegen seines Versagens und wegen seiner Dummheit.
    Da war er doch wie ein Bekloppter überall herumgerannt, ohne überhaupt beim eigenen Haus anzufangen, das für ihn, abgesehen vom Dach, absolut Neuland war. Nichts wie los! Als er Matilda seine neue Erkenntnis mitteilte, verließ sie die Wohnung Hals über Kopf, zwei Stunden vor Arbeitsbeginn. Sie murmelte irgend etwas von dringenden Besorgungen. John ging hinunter. Immer noch gramge-beugt, ohne große Hoffnung kam er am hinteren Hofeingang an. Die Tür war nicht abgeschlossen. Sich ins Schicksal fügend, nichts er-298
    wartend, pfeifend trat er hinaus, nur um sich zu vergewissern. O
    Gott! Lieber Gott! Es gab keinen Gott, nur den Teufel mit seinem ganzen satanischen Gefolge.
    Soviel Blut auf diesem kleinen, unkrautüberwucherten Flecken!
    Mehr als genug, um von Tod und qualvollem Verenden zu zeugen.
    Die beiden vom Regen der vergangenen Nacht durchweichten Kartons waren mit Blut und Eingeweiden bespritzt, ebenso der Beton. In der Ecke lag Kat, der lange Körper zu einem häßlichen Bogen ge-krümmt, das tote Fell naß gegen die Knochen geklatscht, Krallen ausgefahren, Zähne gebleckt, das Rückgrat in spitzem Winkel gebrochen. Neben der Wasserschale für den nicht vorhandenen Hund fand John das erste der Kätzchen, mit gebrochenem Genick und ge-schwollenem, durchbissenem Bauch, das zweite zusammengerollt zwischen umherflatternden Fellfetzen an der Mauer, wie schlum-mernd, doch fehlte ihm der buschige Schwanz, den er oft gestreichelt hatte und das halbe Köpfchen. Erstaunlich wenig Blut. Er schloß die Augen vor der inneren Momentaufnahme der schreienden, jaulenden, kreischenden Schlacht, des Getoses von Bildern und Tönen, das der Verwüstung vorausgegangen sein mußte, sah und hörte es trotzdem, rammte das Gesicht gegen die kalte Backsteinmauer. In Zeitlupe stemmte er sich von der Mauer weg, hob die tote Kat zaghaft mit der Fußspitze an, ehe er sie von der Erde aufnahm, glaubte, ihre Knochen krachen zu hören. Dann übergab er

Weitere Kostenlose Bücher