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Im Kinderzimmer

Im Kinderzimmer

Titel: Im Kinderzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances Fyfield
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sich in die Wasserschale des Hundes, stand regungslos mit seinem nassen Fellbündel und heulte auf wie ein Tier, das eigene Blut im Gesicht noch feucht.
    »Tut mir leid, er ist unterwegs…« Verdammt, wo blieb der Kerl bloß? Der unentbehrliche Mitarbeiter erschien eine volle Stunde zu spät. Er näherte sich auf der Treppe mit dem schleppenden Schritt eines alten Mannes. Als er sein zerkratztes, aber gewaschenes, asch-fahles Gesicht zur Tür hereinschob, fiel niemandem auf, daß irgend etwas anders war als sonst. Das Telefon läutete.
    Montage schätzte Mrs. Harrison besonders. Alle Montage, aber diesen ganz besonders. Zum einen ging die Hausherrin montags wieder zur Arbeit, nicht wahr, und das hieß, daß sich die Welt wieder im gewohnten Rhythmus zu drehen begann, wenn’s recht ist. Die Luft 299
    war frisch, und der dumme Regen läutete den Herbst ein, auf den der Winter folgte, eine Jahreszeit, die ihr mehr behagte – die langen Abende vorm Fernseher und kein Zwang, so zu tun, als müsse man das langandauernde Tageslicht zum Arbeiten nutzen. Außerdem würde Mr. Pearson Thorpe an diesem Montag den kleinen Mark nach Hause bringen, jawohl, und sonst lag nichts an. Die Dinge könnten zwar besser stehen, waren aber auch so ganz annehmbar. Sie saß mit ihrer Zigarette auf den Eingangsstufen und beobachtete das Kommen und Gehen auf der Straße. Unterhaltsam, bis er von nebenan erschien und mit ihm die ganzen anderen Ängste und die Erinnerung an unvorsichtige Äußerungen auftauchten. Mit Adleraugen, doch bemüht um eine normale, gelassene Haltung, verfolgte Mrs.
    Harrison David Allendales Exodus, auf einem Arm Jeremy, behut-sam getragen wie die Kronjuwelen, im anderen die Kinderkarre.
    Eingedenk der abweisenden Reaktionen seinerseits bei ihrem Vor-sprechen an eben der Haustür, aus der er jetzt trat, verzichtete Mrs.
    Harrison auf irgendwelche lauthals verkündeten Morgengrüße.
    Ebensowenig erwartete sie, angesprochen oder überhaupt zur Kenntnis genommen zu werden. Sie blickte in die andere Richtung, beobachtete ihn jedoch aus dem Augenwinkel. Der Bengel war doch zu alt für die Kinderkarre! Laß ihn laufen, damit er ein bißchen abgehärtet wurde! Obwohl, wenn die beiden in den Supermarkt wollten, konnte sie den Vater schon verstehen, dort waren freilaufende Kinder regelrecht gemeingefährlich. Wo sie wohl hinwollten? Ach, egal, wahrscheinlich einkaufen, wohin sonst an einem Montag? David schlenderte die Straße hinauf. Der Kleine zirpte wie ein Spatz und wand sich im Arm des Vaters, um ihm dieses und jenes zu zeigen.
    Meine Güte, man sehe sich das bloß mal an! Wie war sie bloß jemals drauf gekommen, daß man sich über diese verdammte Familie Sorgen machen müßte? Deine Augen, sagte doch ihr Eric, sind größer als dein Hirn. Im Wohlgefühl des Montagmorgens, wo die Welt vollkommen in Ordnung schien, kam ihr eine Idee. Mrs. Harrison wurde Opfer eines letzten Anfalls von schlechtem Gewissen. Sie brauchte sich nur in Marsch zu setzen. Sie klopfte ihre Taschen ab, um sich zu vergewissern, ob sie den Haustürschlüssel auch dabei hatte, und stieg dann die Stufen hinunter, watschelte die paar Schritte die Straße 300
    entlang, warf ihre Kippe weg und peilte die Haustür der Allendales an – dies alles begleitet von Kurzatmigkeit und einem im Hirn tan-zenden Reim, der ihr seit Samanthas endloser Wiederholung dessel-ben heute morgen nicht aus dem Sinn wollte. Verflixte Reime!
    Manchmal wünschte sie sich, es wären ihr nicht so viele geläufig, doch sie konnte nie der Versuchung widerstehen, sie vor sich hinzu-summen. Hast sonst nichts im Kopp, meinte ihr Eric immer, bist nie der Kinderstube entwachsen. Na, wie ging er gleich noch? Ach ja: Lieber Doktor Pillermann,
    sieh dir mal bloß mein Püppchen an;
    drei Tage hat es nichts gegessen,
    hat immer so stumm dagesessen…
    »…dumm rumgesitzt«, hatte Samantha gesungen. Nein, nein, falsch!
    hatte Mrs. Harrison sie zurechtgewiesen, der Schluß ist verkehrt. So die Gedanken Mrs. Harrisons, als sie jetzt an die Tür klopfte, den blank polierten Klingelknopf ignorierend. Sie wartete auf eine Reaktion, wünschte, sie hätte die nur halb aufgerauchte Zigarette nicht weggeworfen. Die Vorstellung, der Herr des Hauses könnte unerwartet zurückkehren und sie hier antreffen, machte sie nervös. Es dauerte ziemlich lange, ehe ihr aufgemacht wurde, und dann wurde die Tür zögernd und bei weitem nicht so weit aufgezogen, wie das der Fall war, wenn man willkommen war. Im

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