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Im Kinderzimmer

Im Kinderzimmer

Titel: Im Kinderzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances Fyfield
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Café an der Ecke hinter dem Center. Und zum erstenmal an diesem Tage entspannte sie sich. Der Nachmittag neigte sich dem Ende zu, die Sonne der längst vergangenen Mittagsstunde hatte sich hinter Wolkenbänken verschanzt, aus denen dicke Regen-tropfen fielen und gegen die Scheiben klatschten. Von innen be-schlug das Glas. Sie trank den ersten Schluck Tee, gesüßt mit etwas 32
    Zucker, schwelgte in dieser unüberbietbaren Köstlichkeit. Katherine liebte Cafés wie dieses, die nichts gemein hatten mit den Bistros der Bugholzstühle, der Espresses und Croissants, liebte die guten, alten Cafés mit den großen, klobigen Tassen Tee zum Spottpreis, den Tischen mit je einem Gast, der stickigen, vom Geruch von ranzigem Fett, Bacon und Toast geschwängerten Luft. Die Cafés ihrer Kindheit und Jugend, in denen es keinen kümmerte, ob sie allein am Tisch saß – das war normal mitten an einem endlos leeren Spätnachmittag.
    Noch nahm irgend jemand an, daß man es sich leisten konnte, Essen zu bestellen, hier, wo chronischer Geldmangel der gemeinsame Nenner war, wo es Trost fast zum Nulltarif gab und Gespräche frei Haus
    – wenn man wollte. Hier fühlte sich Katherine ganz und gar zu Hause. Umhüllt vom Duft der Baked Beans listete sie auf einem Zettel die notwendigen Arbeitsschritte für das Abendessen daheim auf.
    Komisch, dieses Knausern hier und das Prassen dort – Widersprüche, die sie nach und nach als Begleitumstände im Leben vieler erkannt hatte, mit denen sie zusammenkam. Auch das hatte sie in einer Zeitschrift bestätigt gefunden: Je stattlicher das Haus, desto wahrscheinlicher fehlte das Kleingeld für den Milchmann. Also war an ihrer Situation nichts Anormales.
    Getröstet schrieb Katherine: »Avocado Mousse auftauen; Heilbutt?
    Beilage: Wildreis?« Die Vorstellung von wild gewordenem Reis erheiterte sie. So ging es ihr oft mit mehrdeutigen Wörtern »Nach-tisch: Mousse au Chocolat«. Nein, zweimal Mousse, das ging nicht.
    Oder hieß der Plural Musen? Sie mußte grinsen. Dann also Sorbet, frisch aus der Tiefkühltruhe. Die leichte Übelkeit, die sie immer nach einer Stunde harten Trainings befiel, hatte nachgelassen, der unverdaute Salat vom Mittagessen verursachte ein letztes Aufstoßen. Sie prüfte ihre Liste. Das Essen müßte um halb neun in Vorbereitung sein, davor die Kinder. Zeter und Mordio bei Jeanetta, wenn sie nebenan von Mrs. Harrison losgeeist wurde. Mrs. Harrison, die sich aufführte, als täte sie ihnen einen Riesengefallen, wo sie doch bezahlt wurde für ihre Mühe. Beide heimschleppen, in der Küche mit Papp abfüttern. Jeremy bekam noch Brei, Jeanetta verwandelte alles in Brei, ehe sie es verschlang. Katherine dachte sehnsüchtig an schlichte Kost wie ein Sandwich mit Bacon und Ei, an Folienkartoffeln mit 33
    Butter, an Popcorn. Egal, solange nur Fett, Zucker, Kohlenhydrate im Spiel wären. Dann streckte sie ihre schmale Gestalt und kam vom Kunststoffpolster der Sitzbank hoch, bereit zum Aufbruch. Wenn sie sich doch nur auf das Wiedersehen mit den Kindern freuen könnte.
    Aber sie freute sich kein bißchen.
    Am anderen Ende des Cafés, mit dem Rücken an den kalten Heiz-körper gelehnt, beobachtete John Mills sie mit säuerlicher Miene und fragte sich ärgerlich, was es denn da zu lachen gab. Vermutlich war er selbst der Anlaß, oder vielmehr der Streich, der ihm gespielt worden war. Während seine Hand in der Hosentasche mit dem plastik-verschweißten Ausweis spielte, der ihn als Mitarbeiter von »Kinder in Not« auswies, ließ ihn die Erinnerung an seinen vergeudeten, bla-mablen Nachmittag nicht los und die fixe Idee, alle wüßten davon.
    Wüßten, daß er höflich an der Tür dieses fetten alten Drachens geklopft hatte, die ihren Kopf in den Türspalt geschoben hatte wie ein angriffslustiger Kampfhahn.
    »Was wollen Sie?« Selbst die drallen Oberarme hatten vor Zorn gebebt, und der Kopf war auf dem kurzen, dicken Hals vor- und zu-rückgefahren wie ferngesteuert.
    »Ich hoffe, ich störe nicht, Mrs. Harrison…«
    »Nicht Harrison, Jones.«
    »Ja, natürlich. Also, Mrs. Jones, ich hoffe, ich störe nicht…« – er hatte sein bestes schiefes, halb besorgtes Grinsen aufgesetzt –,
    »…aber eine Bekannte von Ihnen bat mich, vorbeizuschauen und mich zu erkundigen, ob Sie möglicherweise Unterstützung brauchen.
    Der Kinder wegen…«
    »Ach ja? Und welche ›liebe‹ Bekannte mag das gewesen sein?«
    Das »liebe« spuckte sie verächtlich hervor und verschränkte die Ar-me vor der

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