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Im Kinderzimmer

Im Kinderzimmer

Titel: Im Kinderzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances Fyfield
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und mich mit Witzen unterhielt. Ehrlich gesagt haben wir beide uns königlich amüsiert.
    Wie eigenartig, trotz der Besorgnis solch völlig glückliche, vertiefte Stunden verbringen zu können.
    »Mama… ich kenn einen guten. In was für einem Fluß kann man am schönsten schwimmen?«
    »Keine Ahnung, mein Spatz. Verrate es mir.« Ich stopfte Altpapier in einen Plastiksack.
    »Im Überfluß.« Sie kugelte sich vor Lachen, wälzte sich auf dem Boden, hielt sich die Seiten und freute sich wie ein Schneekönig.
    Obwohl ich überzeugt davon bin, daß sie keine Ahnung hat, was Überfluß wirklich ist. »Soll ich dir noch einen erzählen?« fragte sie atemlos, aufgeregt.
    »Ja, gut, erzähl.«
    »Wie heißt der klebrigste Vogel?«
    »Weiß ich nicht.«
    »Ach, Mama, du mußt raten!«
    »Kann ich nicht, ist viel zu schwer.«
    »Uhu!« Kreischte sie dann, hüpfte auf dem Sofa auf und ab, warf die Beine hoch, bis auch ich lachen mußte. Wie ähnlich wir uns doch sind, beide lieben wir Witze! Und ich habe es nie gemerkt!
    »Nun komm, wir sollen doch hier arbeiten. Trag das Zeug mal hinunter!«

    312
    »Was ist da drin?« fragte sie und steckte den Kopf in einen Sack voller Flaschen, Briefe und Karteileichen. Nicht alle Flaschen waren ganz leer.
    »Abfall«, erklärte ich mit Bestimmtheit.
    »Ich mag Abfall«, eröffnete mir meine Tochter.
    Draußen immer noch stockfinster. Daß Sommer war, konnte man leicht vergessen an diesem unnatürlich düsteren Tag, ein Vorbote, so schien es, des im Eilschritt und keineswegs im Schleichgang sich London-Mitte einverleibenden Titanen Herbst, der ein wildes, aufständisches Kopfschütteln der Kastanien provozierte. Sammy und ich polterten mit den Plastiksäcken die Stufen hinunter, um sie gegen das Eisengitter zu lehnen: Treibgut aus zwei Zimmern, Marks und dem meinen. Sammy wollte den ihren noch dazutun, gab ihr Vorhaben aber unversehens auf, um auf stämmigen kleinen Beinen die Straße hinaufzuflitzen und den weit interessanteren Abfall der Nachbarn zu untersuchen. Montags kommt in diesem Teil von London die Müll-abfuhr, doch wie an so manchem Montag hatte man uns vergessen.
    An diesem einen Tag in der Woche blüht in der Straße ein ungewohntes Polyäthylenleben auf, sprießen Säcke und Tonnen und weiß der Himmel was noch alles aus dem Erdboden. Was könnten sie nicht alles von den Leben in dieser Straße erzählen, wollte man sie untersuchen! Man kann noch so vornehm sein, den Müll muß man doch rausstellen. Nur persönlich hatte ich es noch nie getan. Ich verbarg meinen Müll in meinem Kopf.
    »Guck mal, guck mal, guck mal!« Samantha war zehn Schritte entfernt und untersuchte den Müllsack vorm Haus der Allendales.
    »Mama, guck mal!« Sie flüsterte zwar, aber in einem theatralischen, halbersticken Ton – lauter als jedes Soufflieren.
    »Schätzchen, man wühlt nicht in anderer Leute Müll. Tut man nicht. Nun komm schon.«
    »Aber guck doch mal!« Sie ließ nicht locker, rührte sich nicht vom Fleck, diese Miniaturausgabe der mit dem gleichen – notdürftig gesellschaftlich gezähmten – eisernen Willen und tyrannischen Zug ausgestatteten Mama. Also folgte ich ihrer Aufforderung, schlenderte so nonchalant wie möglich hin und guckte. Was hätte ich nicht alles 313
    getan, um mir die ungewohnte Nähe zu meiner überraschend bezaubernden Tochter zu sichern!
    »Hat ein Hund gebißt«, stellte sie gewichtig fest. Was für scharfe Augen, daß sie auf Anhieb den einen Müllsack mit Riß rauspickte!
    Und ich verstand auch ihre Neugierde. Hier gab es keine ver-schimmelten Essensreste; es war ein grauer Müllsack (das paßte zu den Allendales, oder nicht? Designer-Müllsäcke statt der gewöhnlichen schwarzen), der der Länge nach aufgeplatzt war, links und rechts flankiert von weiteren grauen Säcken, Abfall des gehobenen Geschmacks, hätte ich in meiner Gehässigkeit wetten mögen, Fisch-gräten und leere Kaviargläser, so meine despektierliche Vermutung.
    Aus dem geborstenen Sack dagegen quollen Farben auf die Straße, nur Kleider. Mein Blick blieb an einem rosa Etwas mit gelben Punkten hängen, eine Kindergröße zwischen anderen Kindergrößen, etwa dem gestreiften Schlafanzug. Ich hätte Sammy daran hindern müssen, die Sachen hervorzuzerren, weiter aufs Pflaster zu streuen.
    »Das ist schön, Mama, warum schmeißen sie das weg?« Sie sah nur die Farben, ich sah noch etwas anderes. Ein ganzer Stapel von Jeanettas Kleidern, Lieblingssachen, die ich als zur neuen Garderobe

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