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Im Kinderzimmer

Im Kinderzimmer

Titel: Im Kinderzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances Fyfield
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begleiten, das alles war einfach zuviel. Also habe ich mir den Gin praktisch durch einen Strohhalm eingeflößt.
    Bis zum Umfallen. Als ich wach wurde, wäre ich am liebsten gestorben.
    Montag früh bei Morgengrauen. Weltuntergangsstimmung. Ein verregneter Himmel, besser zwar als die brütende Hitze, Verursache-rin des ganzen Übels, aber ein dunkler Regen, ein verstockt schweigendes Gewitter, das den Himmel düster und leer machte. Kaum zu glauben, daß es erst sieben war und so eiskalt. Das Gesicht spannt sich nach übermäßigem Alkoholgenuß auf eine ganz bestimmte Art.
    In gewisser Weise schmeichelt das meinem Aussehen, weil es die aufgeschwemmte Haut etwas strafft, wie nach Kindertränen: rosige, weiche Haut, eine Frische, deren Wahrhaftigkeit nur die blutunter-laufenen Augen Lügen strafen, Augen, die aussehen, als hätten sie die halbe Nacht in Chlor gelegen. Also etwas Restaurationsarbeit mit all den sündhaft teuren Kosmetika, erstanden an diesem einen Zuver-sichtstag, und dann ab zur Arbeit, auf ausgetretenen Pfaden, dennoch 306
    unsicher auf den Beinen, blind wie eine Fledermaus. Ich mache mir keineswegs etwas vor: Obwohl ich mein Herzblut für den Laden hergegeben habe, für meine Karriere, mein Geschäft, mein ein und alles, bestätigt durch die Loyalität von Klienten, die nicht weniger zynisch sind als ich, steht meinem Rausschmiß nicht mehr viel im Wege. Es hätte mir eher dämmern müssen, mir, die ich andere für geringere Vergehen gefeuert habe als Gleichgültigkeit und einen rosigen Kleinkinderteint am Morgen. Ich habe andere wegen ihres zu ausgeprägten Familiensinns gefeuert, der Herr sei mir gnädig. Arbeit und Eigeninteresse hatten eben vorzugehen, Gefühlsverarmung und Lebensqualität interessierten mich nicht. Jetzt ja. Wir unverbesserli-chen Säufer müssen nämlich zur Einsicht, und sei sie noch so bescheiden, gezwungen werden und wehren uns auch dann noch mit Händen und Füßen. Ich glaube, ich habe die Belange der anderen in meinem Umfeld monatelang, möglicherweise jahrelang überhaupt nicht wahrgenommen, aber wie gesagt, Gott ist gnädig, wenn er sich nicht gerade von seiner schlechtesten Seite zeigt: die Dinge ändern sich.
    Im Büro, wo ich nichts anderes tat als meinen Kater zu pflegen, hörte ich Gewisper im Off, wie das Geraune hinter den Kulissen bei einem Auftritt, der in die Hosen zu gehen droht. Vertrautes Geflü-
    ster, genau wie daheim, wie von Mrs. Harrison, Mr. Harrison, Samantha, Mark, Getuschel hinter geschlossenen Türen, die Frage: »Ob wir reingehen sollen?« Sebastian nicht minder, außer Hörweite, sich fragend: »Ob ich nach Hause fahren soll; ob sie heute abend mit mir redet? Nein, ich bleibe lieber noch hier. Es wird keine warme Mahlzeit geben, keinen Trost. Zu Hause erwartet mich nichts, und mit ihr schlafen kann ich ja doch nur noch morgens früh, wenn sie es nicht einmal bemerkt…« Das Getuschel hinter meinem Rücken ist mir so vertraut, Getuschel, das zurückreicht in die Zeiten der verhaßten Aufsichtsschülerin, nur hinter vorgehaltener Hand, damit die blöde Zimtzicke es nicht mitkriegt. Ich hätte auf das Gewisper erst einmal hören und nicht gleich losbrüllen sollen. Aber es ändert sich ja. Vielleicht gelingt es mir ja doch noch, ein klein wenig Sensibilität zu entwickeln.

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    Das habe ich Mark zu verdanken, dem siebenjährigen Mark, diesem kleinen Charmeur, den im großen und ganzen andere aufgezogen haben. Sie waren an die See gefahren, mein bei anderen allseits beliebter und von mir übergangener Mann und Mark, diese helle Freude von einem Sohn, um das Meer zu bestaunen und wie richtige Männer Männerdinge zu tun: flippern und sich amüsieren, Fisch und Fritten mit Heißhunger verschlingen, sich gegenseitig unterhalten, was weiß ich, ich habe nicht gefragt. Doch dann ist Mark über irgend so ein aus dem Sand ragendes Eisenteil gestürzt und hat sich die zarte Kinderwade aufgeschlitzt. Gleich Montag in der Früh, wurde mir berichtet. Das war der Anlaß für das Getuschel im Büro: »Ob wir ihr sagen sollen, daß er angerufen hat?« Und wirres Zeug erzählt hat von einem kleinen Jungen – ach, so klein noch (wenn ich an seine kleinen Sachen in der Reisetasche denke!) – und einer Verletzung.
    »Nein, Mrs. Pearson Thorpe, wir wissen nicht, wie schwer verletzt.
    Ihr Mann hat aus der Klinik angerufen. Er meinte, sie würden am Nachmittag heimkehren können. Machen Sie sich keine Sorgen.«
    Sorgen machen? Ich? Mobilmachung aller

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