Im Kinderzimmer
Katherine, du hast also den guten Colin gern? Na, so etwas, was bin ich doch für ein Glückspilz, komm, setz dich hier hin, es ist nicht feucht, setz dich doch einen Augenblick…«
»Hast du eine Zigarette für mich?«
»Aber ja, sicher, was du willst.«
Sie ließ sich Feuer geben und sog mit der Gier der Nichtraucherin an der Zigarette, wie ein Teenager beim ersten Mal. Der Zauber war verflogen; Katherine fühlte sich schon wieder häßlich und vulgär.
»Ich habe dich hoffentlich nicht verärgert?« fragte er besorgt.
»Nein.« Ihre Antwort klang überrascht, so, als sei es das Alltäglich-ste von der Welt, sich im Gebüsch vom Mann der Freundin begrap-schen zu lassen.
»Aber vorhin ging es dir nicht so sehr gut, meine ich. Erzähl mir doch, was los war.«
Katherine war wie ein kleines Kind, das auf den Schoß genommen wird und beichtet. »David ist mir böse«, murmelte sie mit schwerer Zunge. »Ganz böse.« Als beschwerte sie sich über einen Lehrer.
»O je«, meinte Colin beschwichtigend.
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»Er läßt mich nicht an Jeremy oder an meine eigenen Kleider oder an Geld ran. Ich habe nichts eigenes, und er haßt Jeanetta.«
»Aber nein«, protestierte Colin, »das kann ich mir…«
»Doch«, fuhr Katherine fort. »Sie ist nämlich sehr unartig, weißt du. Sie benimmt sich nicht so, wie er es gern hätte, und außerdem glaubt er, sie sei nicht von ihm. Sie folgt ihm überhaupt nicht. Und er muß alles besitzen. Alles unter Kontrolle haben. Nichts hat sich ohne seine Erlaubnis zu rühren.« Sie bekam Schluckauf.
»Nicht von ihm?« Colin war verwirrt, beunruhigt. Katherines sti-mulierende Nähe, der angetrunkene Mut – was sollte das Gerede? Er schob eine Hand unter den Ausschnitt des nachgiebigen Kleiderstoffs, stellte jedoch fest, daß sie die Berührung völlig kalt ließ, daß sie sie kaum bemerkte. Daß sie ihn einfach machen ließ, war geradezu beleidigend.
»Was ist außerdem nicht von ihm?« fragte er, einfach um irgend etwas zu sagen. »Es muß doch Dinge im Haus geben, die dir gehö-
ren? Diese vielen wunderschönen Sachen, die du ausgesucht hast, sie gehören euch doch beiden, nicht ihm allein.«
»Alles gehört David. Alles Schöne. Häßliches duldet er nicht. Er erträgt es nicht. Er hat eine so furchtbare Kindheit erlebt, weißt du.
Nie durfte er etwas Schönes behalten. Genau wie ich; aus diesem Grund habe ich ihn gleich geliebt. Wir sind uns gleich, verstehst du.«
Sie schien gekränkt, daß er die Logik ihrer Worte nicht begriff.
Colin wußte nichts mehr zu sagen. Das meiste, was sie sagte, war Unsinn. Die Rede müßte jetzt von ihnen beiden sein, von der starken gegenseitigen Anziehung zwischen ihnen, dem Salz in der Suppe der anderen Beziehung, nicht aber von diesen Versatzstücken eines ver-korksten Lebens und der unsinnigen Frage, wem was gehörte. Hatte er sich verkalkuliert bei seiner Einschätzung ihres Temperaments als für eine harmlose kleine Affäre durchaus geeignet – hübsch und un-kompliziert, etwa wie seine Sekretärin? Verunsichert konzentrierte er sich aufs Küssen, das mangels einer Erwiderung allerdings immer feuchter wurde.
Er witterte Gefahr und verspürte den Drang, zur Musik zurückzukehren. Als seine Lippen die Rundung einer aus dem Ausschnitt ragenden Brust berührten, sah er hinter dem Vorhang der Trauerwei-139
den, hinter denen sie sich verborgen hatten, ein Paar dunkle Bein-kleider sich entfernen.
Die Oma war jetzt doch ein klein wenig erschöpft. Jeanetta dagegen, gestärkt von fünf Schokoriegeln und ihrem Mittagsschlaf, war übel, doch es steckte noch Restenergie in ihr, auch wenn ihre Bewegungen träger wurden – wie die eines aufgezogenen mechanischen Spielzeugs, ehe es zum Stillstand kommt. Die Flasche Sherry war leer.
»Ich wünschte, sie hätten etwas Süßeres gekauft«, gestand die Oma.
Sie saßen am Küchentisch und bemalten die Tischplatte mit Wachs-kreiden. Nirgends hatten sie Papier auftreiben können, trotz eines Ausflugs in Richtung von Davids Atelier, das aber abgesperrt war.
Jeanetta war es nicht ganz geheuer gewesen, statt dessen die Tischplatte zu bearbeiten, doch Oma fegte die Bedenken mitsamt den Krümeln beiseite. »Den kriegt man schon wieder sauber, mein Herz, die Mama kann das gewiß, das kann sie gut.« Jetzt plagten Jeanetta jedoch andere Sorgen.
»Oma, sollen wir nach Jemmy gucken?« fragte sie in etwas ängstli-chem Ton. »Vielleicht haben wir ihn gewacht.«
»Wieso?« Oma leuchtete das nicht ein. »Die Mama
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