Im Kinderzimmer
hat ihn doch ins Bett gebracht, oder?«
Jeanetta schüttelte den Kopf. »Nein, Papa. Mama darf ihn nicht an-fassen. Ich auch nicht«, erklärte sie. »Nur Papa darf das.«
»Also so was! Ich muß schon sagen«, entrüstete sich Sophie. »Nun, ich kann unmöglich noch einmal die ganzen Stufen hinaufsteigen.
Geh du mal gucken. Du bist doch schon fast fünf. Nur zu, ich warte unten an der Treppe auf dich.« Jeanetta nahm es als Herausforderung und als seltene Gelegenheit, an den vergötterten Jeremy ranzukommen. Flink wie ein Äffchen sauste sie in ihrem Lurexsari, allerdings ohne Pfennigabsätze, die Treppen hinauf und verschwand für volle drei Minuten. Sophie wartete geduldig.
»In Ordnung«, meldete sie atemlos bei ihrer Rückkehr.
»Er lebt?« fragte Sophie trocken nach.
»Schläft«, berichtete Jeanetta. »Ich habe ihn zugedeckt und Teddy gegeben.«
Oben lag Jeremy mit dem Kopf unter der Decke. Teddy vor der Nase – was die Atmung keineswegs unmöglich machte, nur ge-140
räuschvoll. Oma und Enkelin begaben sich wieder in die Küche. Als David auf leisen Sohlen geräuschlos den Schlüssel im gut geölten Schloß gedreht hatte, traf er die eine beim Zerrupfen der Rosenblätter an – für ein Potpourri, wurde ihm erläutert – und die andere beim Übertragen eines Konterfeis der Oma auf die Tischplatte.
Während sich auf den Gesichtern, die sich ihm überrascht, aber nicht erschreckt zuwandten, Wiedersehensfreude breit machte – bei Sophie spontan, bei Jeanetta, die mit plötzlicher Hellsicht das Bild, das sie boten, so sah, wie der Papa es sehen mochte, zögernd, ehe sie sich unter den Tisch rettete. David machte kehrt und fegte hinauf, wo er den wie einen Mops schnaufenden Jeremy fand, halb-erstickt unter der Decke, keuchend und etwas erhitzt. Nahe der Tür seines Zimmers lagen ein paar einsame Rosenblätter und Fransen des Tuchs, das Jeanetta trug. David schleuderte den Teddy aus dem Bettchen, schlug bebend vor Zorn die Decke zurück und verschaffte dem Kleinen weitere Erleichterung. Als er in die Küche zurückkehrte, hatte er seine Sprache noch nicht wiedergefunden. Als Jeanetta unter dem Tisch hervorlugte, zeigte er mit dem Finger auf sie, angewidert, als ekele ihn bei der bloßen Vorstellung, sie berühren zu müssen, und dann gebieterisch Richtung Treppe.
»Zweimal sage ich es nicht, du kleines Biest. Marsch ins Bett.«
»Hab meinen Schlafanzug nicht mehr.«
»Ins Bett!« Er hatte den Arm gehoben, sie schlüpfte darunter hindurch, duckte sich im Laufen, verschwand auf allen vieren, so schnell sie konnte, ohne ein Wort des Abschieds. Oma blickte ihr nach, sobald das Kind jedoch außer Sicht war, hatte sie es auch bereits vergessen, sah nur ihren abgöttisch geliebten Sohn.
»David, mein Lieber, wir haben uns herrlich amüsiert.«
»Ich seh’s.«
Vor einem der Küchenschränke lagen auf dem Boden drei verbo-gene Drahtkleiderbügel, neben Käse- und Schokoplätzchen, zerknüll-tem Cellophanpapier und diversen Dosen. Ansonsten war der Fuß-
boden ein einziges Schlachtfeld: Taft, Schuhe, Malkreiden und zwei zertretene Hörnchen. Mrs. Allendale trug eine Tiara, Musik plärrte.
»Und Katherine, mein Guter? War’s nett? Erzähl doch, habt ihr richtig getanzt?«
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»Katherine ist noch etwas geblieben. Vermutlich ahnte sie, was sie hier erwartet. Ich rufe dir lieber ein Taxi, Mutter.«
Sophies Herz sank. »Aber ich dachte, ich sollte hier übernachten.«
Sie lächelte unsicher, bemerkte jetzt erst das Bild der Verwüstung in der Küche, überging es jedoch mit einem Achselzucken. Während er am Wandtelefon die Nummer wählte, sagte er zu ihr in schroffem, abgehacktem Ton: »Du hast deine letzte Chance verspielt, Mutter.
Katherine schwante schon so etwas. Tut mir leid, wenn ich aus Mük-ken Elefanten zu machen scheine, aber ich muß mich nach ihr richten; die Schweinerei hier – das bringt sie um. Hallo? Ja, ein Taxi.
Nach Hampstead. Ja, sofort. Danke.« Vollendete Höflichkeit. Daß die zitternden Finger sie Lügen straften, sah außer ihm keiner. Er legte auf und wandte sich ihr zu.
»Das war der letzte Streich, Mutter. Du wirst nicht mehr herkommen können, es sei denn Katherine fordert dich explizit dazu auf.
Und das wird so bald wohl nicht mehr sein, wenn überhaupt je wieder.« Das Urteil erwischte Sophie kalt, sie vernahm es, ohne zu verstehen.
»Aber warum denn nur, mein Guter? Warum? Was habe ich denn getan? Wir haben nur gespielt, deine Tochter und ich, gespielt! Was ist
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