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Im Kinderzimmer

Im Kinderzimmer

Titel: Im Kinderzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances Fyfield
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Los war.
    Die ganzen Tricks, um an Geld heranzukommen: das Umtauschen der Kleider, die David kaufte, das Erpressen von Mahlzeiten mit Hilfe von Stoffresten, das Betrügen von Kunden, die es nie bemerken würden, die Jagd nach Sonderangeboten bei den Besorgungen für David. Währenddessen durchkämmte er systematisch ihre Kleider-und Handtaschen, spürte jedes kleinste Versteck im Haus auf, wo sie ihre kümmerlichen Ersparnisse hortete. Er durchsuchte alles außer Jeanettas Zimmer, wo er die paar Einpfundmünzen in einer verschmähten alten Rassel noch nicht entdeckt hatte. Nie hatte sie ihn bei diesen Durchsuchungen ertappt, hatte lange Zeit nichts gemerkt davon, war sich auch jetzt nicht hundertprozentig sicher und traute sich deshalb nicht, ihn zur Rede zu stellen, ebensowenig wie sie es gewagt hätte, die ständigen Umstellungen in den Zimmern, die Ver-171
    änderungen in Küche und Bädern zu monieren, die sie permanent verwirrten, oder die gnadenlose Entfernung ungeliebter Kleider aus ihren Wandschränken, die sie doch sehr wohl selbst aussortieren könnte. »Nur zu deinem Besten, Liebling, es muß Ordnung herrschen in diesem Haus.« Aber vielleicht tat er das alles gar nicht; sobald sie sich vorstellte, wie sie ihn darauf ansprach, erkannte sie, wie lächerlich es wirken müßte.
    Sie fürchtete, allmählich wahnsinnig zu werden, tröstete sich jedoch mit dem Gedanken, daß sie immer noch ein Zuhause hatte und immer haben würde, voller Farben und Bequemlichkeit. Draußen war das schwarze Nichts, schwarze Gesichter, schreiender Haß. Die Straße hinabrennen, halbnackt – hatte ihr die Schrecken gezeigt, die draußen vor der Tür lauerten.
    Doch selbst noch, als sie jetzt Panik befiel, Furcht vor David und Liebe zu ihm, Gefühle, die stärker waren als die Finsternis draußen, empfand sie so etwas wie Siegesgewißheit, konnte sie sich zu dem Optimismus zwingen, der ihr zur zweiten Natur geworden war, zur Überlebensstrategie. Sie mußte verrückt gewesen sein, sie war ungezogen gewesen, aber jetzt war sie wieder brav, hatte er gesagt, alles vergeben und vergessen, hatte er gesagt, und in ihrer Handtasche lag jetzt, nach wochenlangem Betteln, der eigene Haustürschlüssel – ein Zugeständnis, das sie überraschte, als es nach endlosem Anklopfen-müssen gemacht wurde –, das sie aber als gutes Zeichen deutete. Es würde alles wieder gut. Ab jetzt würde alles wieder gut.
    Die Türschlösser funktionierten allesamt lautlos; er konnte um sich herum nichts ertragen, was nicht einwandfrei funktionierte und pa-rierte. Das Haus war ein Hort vornehmer Verschwiegenheit, still wie ein Kloster, die dicken, weichen Teppiche ein Genuß für bloße Sohlen. Kaum war sie drinnen, verspürte Katherine den Drang, ihn zu sehen, sich zurückzumelden, falls er sie brauchte, und auch, um ihr Geschick mit dem neuen Schlüssel zu demonstrieren. Sie zögerte.
    Kein Laut zu hören. In der Küche ein unaufgeräumter Mittagstisch, was sie nicht weiter störte, denn es bedeutete, daß er ihr eine Arbeit zugedacht hatte. Sie seufzte ob des deutlichen Gefühls eines men-schenleeren Hauses erleichtert auf. Dann fielen ihr die in Jeanettas 172
    Zimmer gesicherten Münzen ein, die mögliche Aussicht auf den Besuch eines Cafés zog sie nach oben.
    Als sie sich leise barfuß näherte – die italienischen Schuhe hatte sie in der Annahme, sie in aller Ruhe wegräumen zu können, am Fuß der Treppe abgestreift – sah sie, daß die Tür zum Atelier nur angelehnt war. Überrascht, die Tür unverschlossen vorzufinden und neugierig gemacht von einem merkwürdigen Rascheln, das sie vom Treppenabsatz hörte, andere Geräusche noch als die gedämpften Klänge des Radios, Geräusche wie von kleinen Tieren – menschenunähnliche Geräusche, schob sie die Tür ein Stück weiter auf. Am anderen Ende des Raums blitzte ein leuchtender Farbklecks auf: kirschroter Stoff auf dem Sofa. Und auf dem Fußboden, fahl im schummrigen Licht, zwei verschlungene Körper. Sie stierte auf das Kirschrot – Monicas Lieblingsfarbe. Monica selbst war nicht als diese zu erkennen auf dem Boden, ihr Kopf war von Davids verdeckt. Von ihr, deren Finger sich in sein sich rhythmisch hebendes und senkendes Gesäß krallten, kamen die merkwürdigen Laute. Ein schwacher Geruch von Schweiß erreichte Katherine, Monicas Parfüm kroch auf sie zu, ein Hauch Weinbrand wurde vom Zug des offenen Fensters herangetra-gen. Sie ging nicht weiter. David drehte den Kopf, erkannte sie, warf ihr

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