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Im Kinderzimmer

Im Kinderzimmer

Titel: Im Kinderzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances Fyfield
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liegen lassen, zusammen mit ihrer Handtasche. Ein Gefühl tiefer Hoffnungslosigkeit schlug über ihr zusammen wie eine Flut-welle. Sie blinzelte, benommen vom Straßenlärm, der ihr gewaltig in den Ohren brauste. Mrs. Harrison stellte zum wiederholten Male fest, die Nachbarin sei die reinste Träumerin, stand da und spähte in die schwarzen Wolken hoch, als fürchte sie sich! Doch Katherine war vorübergehend blind für alles um sie herum, sie sah nur den Schlüssel vor Augen, erkannte ihre bodenlose Dummheit. Dann warf sich Jeanetta an sie, und plötzlich kannte sie wieder mehr als nur den einen Grund, der gegen eine Flucht sprach. Sie packte das Kind an den Schultern, wollte sie hochnehmen, doch der kleine, dicke Körper wand sich. »Kitzelt, Mama, kitzelt!« Jeanetta war außerdem zu schwer. Angestachelt von ungewohnter Anhänglichkeit, aber auch dem Wunsch anzugeben, vergrub die Kleine das Gesicht in Mamas Schoß, wurde mit einer Heftigkeit umarmt, die sie nicht verstand, und zerrte die Mama dann hinter sich her nach nebenan. Die Mama zu begrüßen, war ja schön und gut, etwas anderes war es, nach Hause 175
    zu müssen. Zusammen trotteten sie zu Mrs. Harrisons verlorenem Haufen zurück.
    »Stellen Sie sich vor, Mrs. Harrison«, rief Katherine mit einer Munterkeit, die selbst in ihren Ohren falsch klang. Aufgesetzt und vor Mühe schleppend kamen die Worte heraus: »Ich habe meinen Schlüssel vergessen!«
    Monica fühlte sich satt und schwummrig, hatte aber wohl bemerkt, daß er sich entfernt hatte. Nicht auf als unsensibel zu bezeichnende Weise, doch so bald, daß ihr sofort ungemütlich war. Sie mußte ein paar Sekunden gedöst haben, das Erwachen war unschön. Sein nackter Körper wurde vom Fenster eingerahmt, er blickte auf die Straße hinunter. Sie setzte sich so schnell auf, daß ihr der Kopf schwamm.
    Dumpf drang von der Straße Geschrei zu ihr hoch, wie aus großer Entfernung.
    »Was ist denn los? O Gott, doch nicht Katherine! Sie ist doch nicht hier gewesen? O Gott!«
    Er kehrte wieder zu ihr zurück, nahm sie in den Arm, liebkoste ihren verschwitzten Nacken. »Aber nein. Trotzdem sollten wir uns lieber anziehen, denke ich. Auch wenn sie nicht hereingekommen sein kann.« Monica blickte erschrocken zur Tür. Seine Augen folgten den ihren. »Mach dir keine Sorgen«, flüsterte er, »die Tür war die ganze Zeit abgesperrt.«

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    »Hau ab, Drecksau! Mach, daß du wegkommst! Los, jetzt! Weg, hau ab! Ach, da seid ihr ja. – Verzeihen Sie, Mrs. Allendale – verpiß dich!«
    Aufruhr erwartete Mrs. Harrisons kleinen Trupp, ein Sperrfeuer vom stattlichen Hauseingang der Pearson Thorpes aus, wo der alte Harrison ihren Anmarsch mit sichtlicher Erleichterung verfolgte, während vor ihm ein spindeldürrer, dunkelhaariger Mann – der Obdachlose – wild fuchtelte und die Stufen hinunter stolperte, vor Schreck zu größerer Eile nicht fähig. Mr. Harrison, eingerahmt im weiß verputzten Hauseingang, stand vor dem schwarzen Schlund der Diele, in der Mark unentschlossen herumhampelte.
    »Ich kenn den, ich kenn ihn! Ich hab ihn schon mal auf der Straße gesehen!« rief er und zeigte auf den Mann, der ihn mit wildem Blick fixierte und Unverständliches murmelte.
    »Mach schon, du Drecksau! Mach, daß du wegkommst!« brüllte Mr. Harrison.
    »Is aber gar nich dreckig«, wandte Jeanetta ein und trat aus dem kleinen vor Schreck gelähmten Kreis um Mrs. Harrison heraus.
    »Nich überall.« Sie grinste den Mann an, der das Grüppchen, das ihm den Weg verstellte, verstört beäugte. Er trat zur Seite, dann zu-rück, blickte rasch nach links und rechts die Straße hinauf und hinunter und spurtete dann an Samantha vorbei, die aufschrie. Etwas ab-seits der aufgeregten Gruppe stand Katherine mit Jeremys Kinderkarre, und auf sie schoß der Mann jetzt zu, stürzte fast über die Karre, brachte sich mit rudernden Armen wieder ins Lot, sah sich noch einmal um, warf Katherine einen verzweifelten Blick zu und rannte weiter. Alle eilten Jeremy zu Hilfe und drehten sich dann wie ein Mann, um die Flucht des Fremden zu verfolgen, der auf Storchen-beinen in speckigen khakifarbenen Hosen und einem am Rücken zerrissenen Pullover die Straße hinaufgaloppierte.
    »Also hat man so etwas schon gesehen!« empörte sich Mrs. Harrison.
    »Ich kenn ihn, ich kenn ihn!« sang Mark begeistert. »Ich hab ihn neulich abend gesehen. Er spricht mit keinem.«

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    »Ach, sei doch mal still jetzt! Mach nicht so einen Lärm! Wir haben ihn alle

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