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Im Königreich der Frommen (German Edition)

Im Königreich der Frommen (German Edition)

Titel: Im Königreich der Frommen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Boehm
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Monate
einlassen.
    Ende März
stand wieder ein Verfahren an, in dem ACPRA die Verteidigung
übernahm. Diesmal ging es um den Fall von Thamer Al Kathar, den
Sohn des Rechtsprofessors und ACPRA-Mitgründers Abdulkarim Al
Kathar. Thamer war erst achtzehn, als er im Frühjahr 2010
verhaftet wurde. Vor dem Gerichtsverfahren erzählte mir der
Professor, sein Sohn wurde festgenommen, um an ihn, den Vater,
heranzukommen. Der Geheimdienst durchsuchte das Haus und nahm die
Computer des Vaters mit. Beim Verhör, sagte der Professor,
wurde der Kopf seines Sohnes ein paar Mal auf den Tisch geknallt. Er
verlor sein Gehör für ein paar Monate und wurde die ersten
dreieinhalb Monate in Einzelhaft gehalten.
    Eigentlich wollte
ich mich mit Mohammed vor der Beschwerde-Kammer in Riad treffen. Sie
war in einem glitzernden Glashochhaus untergebracht, direkt
gegenüber dem Institut für Diplomatische Studien,
Mohammeds Arbeitsstätte. Aber er war wieder einmal zu spät.
    Das Verfahren hatte
schon vor einer Viertelstunde beginnen sollen und ich kannte die
Gepflogenheiten im Königreich noch nicht. Ich sah eine Theke im
Erdgeschoss des Hochhauses, an der die Ausweise der Besucher
kontrolliert wurden. Ich zeigte meinen Reisepass vor, trug mich in
ein Besucherbuch ein und war schon im Gebäude, um schnell den
Verhandlungssaal zu suchen, als mich Mohammed anrief. Wir trafen uns
im Treppenhaus. Zusammen mit Mohammed fand ich den Rest des
Verteiderteams. Dann begann das lange Warten.
    Außer uns ist
noch Professor Al Kathar gekommen, außerdem Fawzan Al Harbi,
ein Maschinenbau-Ingenieur und ACPRA-Faktotum, und schließlich
Abdulrahman Al Dossari, ein Ex-Kriminalpolizist. Dossari war
zweiundzwanzig Monate in Haft, weil er ein paar Mal eine
Radiosendung der Opposition in London angerufen hat.
    Wir setzen uns auf
die Wartebänke im Gang und machen es uns bequem. Bei der
Beschwerde-Kammer kann man sich über saudische Institutionen
beschweren, aber auch kommerzielle Streitfälle vorbringen. Um
uns herum trotten Männer durch die Gänge, die ihre Schuhe
anstarren oder ihre Gehhilfen studieren. Frauen dürfen hier
ohne ihren Vormund nicht rein.
    Das Verfahren hätte
vor mehr als einer halben Stunde beginnen sollen. Mohammed schickt
Harbi in den Gerichtssaal, um zu fragen, wann es denn losgeht.
Gespannte Erwartung liegt in der Luft. „Heute müssen sie
das Urteil sprechen“, sagt Mohammed schon zum dritten Mal. Er
schaute sich um. „Wenn die vom Geheimdienst heute wieder nicht
auftauchen, müssen sie Thamer freilassen.“
    Dass das
Innenministerium im Verfahren gegen den Ex-Richter Al Raschudi am
Ende niemand mehr zu den Verhandlungen schickte, hat Mohammed damals
als kleinen Sieg gefeiert. Denn das schien ACPRA freie Bahn zu
geben. Wenn die verklagte Behörde nämlich zweimal keinen
Vertreter zu einem Verfahren entsendet, muss die Beschwerde-Kammer
gegen sie entscheiden. Da ist das saudische Verfahrensrecht
eindeutig.
    Allerdings ist es
nicht selten, dass Gerichte die Freilassung von Inhaftierten
anordnen, aber die schmachten weiter. Dossari kann ein Lied davon
singen. Seine gerichtliche angeordnete Strafe war vorbei, aber er
blieb vier Monate länger in Haft. „Der kann noch froh
sein. Andere haben nicht so viel Glück. Die kommen gar nicht
frei“, hat Harbi vor ein paar Minuten gesagt.
    Harbi kommt zurück.
„Sie warten noch auf die Geheimdienstler“, sagt er.
Warten. Warten. Weiter warten.
    Zwanzig Minuten
später. Professor Kathar stößt Mohammed in die
Seite. „Hast du den gesehen?“, fragt er und muss ein
bisschen lachen. Ein Mann ist mit gesenktem Kopf an uns vorbei
geschlichen. „Der war einer meiner Studenten. Der kennt mich
auch nicht mehr.“
    Der Fall heute
birgt zusätzlichen Zündstoff, weil Kathar Rechtsprofessor
an der Universität von Qassim ist, 400 Kilometer nördlich
von Riad. Er hat einige der Richter hier ausgebildet. Seit er das
Innenministerium verklagt, ist er jedoch von seiner Professur
suspendiert.
    Kathar trägt
einen kürzeren Thoube, das weiße Gewand der saudischen
Männer, den rot-weißen Schal lose über den Kopf
geworfen und einen Vollbart – all das sind Zeichen des streng
Gläubigen. Aber er sagt: „Das saudische Rechtssystem ist
ein totales Durcheinander. Es gilt die Scharia, aber es gibt auch
ein paar moderne Gesetze. So wie es jetzt ist, funktioniert es
einfach nicht.“
    Immer noch nichts.
Mehr als eine Stunde ist schon vergangen. Harbi war noch einmal
fragen, wann es losgeht. Er kommt zurück und

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