Im Königreich der Frommen (German Edition)
ich ihm gerne helfen würde, auch wenn ich nicht
wusste wie. Er würgte mich gleich ab.
Also fragte ich
lieber nach dem Hintergrund des Verfahrens gegen ihn. Der ganze
Ärger habe begonnen, sagte Mohammed, kurz nachdem der
Innenminister Prinz Naif Kronprinz wurde. Die Polizei habe Mohammed
einbestellt und ihm gesagt, er solle aufhören, Ärger zu
machen oder ACPRA würde selbst Ärger bekommen. „Das
haben wir abgelehnt.“
Zwei Tage, bevor
Mohammeds Prozess begann, starb der Innenminister. „Die
Anklage gegen uns wurde erhoben, als Naif Kronprinz wurde“,
sagte Mohammed. „Jetzt ist er tot, aber nun können sie
das Verfahren nicht mehr stoppen, ohne ihr Gesicht zu verlieren.“
Durch das Verfahren
gegen Mohammed hat er allerdings nun erreicht, was ihm lange
vorbehalten blieb: ACPRA ist im Königreich bekannt geworden.
Das Verfahren gegen Hamad und ihn war öffentlich. Erstmals
haben die saudischen Zeitungen über ACPRA berichtet. Nun hat
Mohammed mehr als 70.000 Twitter-Leser, vor dem Verfahren hatte er
etwas mehr als 1.000. ACPRA-Videos werden nun im Internet mehrere
zehntausend Mal angeschaut, erzählte Mohammed stolz.
Am Ende unseres
Telefongesprächs wünschte ich ihm noch einmal viel Glück.
Er dagegen dachte schon an die ferne Zukunft. „Wenn ich einmal
nach Berlin komme, essen wir zusammen eine Bretzel“, sagte er.
Bretzel – so stellt man sich in den USA ein typisch deutsches
Essen vor. Vor lauter Enthusiasmus bei der Vorstellung sagte ich:
„Nicht nur eine Bretzel, auch noch etwas anderes.“ Und
biss mir dann gleich auf die Lippen, weil mir einfiel, dass Mohammed
nicht das zu sich nehmen konnte, was mir so vorschwebte.
Am 9. März
2013 wurde Mohammed zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt.
Abdulrahman Al Hamads schon bestehende Strafe wurde verlängert.
Er wird nun elf statt sechs Jahre im Gefängnis verbringen.
ACPRA wurde verboten. Die gesamten Unterlagen und Vermögenswerte
der Organisation wurden konfisziert. Gleich nach dem Urteil wurde
Mohammed in das berüchtigte Al Ha'ir Gefängnis, vierzig
Kilometer südlich von Riad, gebracht.
Trotz des
ungebrochenen Optimismus, den sich Mohammed bis zum Schluss erhielt,
hat er vorgesorgt. Seine Frau studiert seit kurzem in den USA und
hat die fünf Kinder der Familie mitgenommen. Mohammed hatte ihr
dazu geraten.
POSTSKRIPTUM VOM
APRIL 2013: Mohammeds Frau Maha Al Qahtani sagt mir am Telefon, ihr
Mann sei in dem Teil des Al Ha'ir Gefängnisses untergebracht,
der für Kriminelle reserviert ist, nicht in dem für
politische Gefangene. Zusammen mit überwiegend jungen Saudis
sei Mohammed in der Abteilung 19 untergebracht. Die meisten
Insassen, sage ihr Mann, haben ein Drogenproblem und sitzen wegen
Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz.
Frau Al Qahtani
sagt, Mohammed habe einmal in der Woche Zugang zu einem öffentlichen
Telefon, könne eine Tageszeitung lesen, komme an die frische
Luft, habe etwas zugenommen, obwohl er ein bisschen trainieren darf,
und verbringe ansonsten die meiste Zeit damit, sich mit den anderen
Gefangenen zu unterhalten.
Wann das
Berufungsverfahren stattfindet, ist nicht klar. Mohammed scheint
jedoch noch der Alte: „Wir wollen nicht hier raus“, habe
er seiner Frau gesagt. „Was wir wollen, sind unsere Rechte.“
ARBEIT: DAS HARTE LOS
Bader geht es ganz
gut. Der 24-jährige schläft bis drei Uhr nachmittags,
steht auf, betet, isst mit seiner Familie zu Abend, trifft sich mit
seinen Freunden und surft den Rest der Nacht im Internet oder spielt
Videospiele. Nach dem ersten Gebet des Tages, um fünf Uhr
morgens, geht er wieder schlafen.
Ein paar Monate
lang ist er jedoch auch von vier Uhr nachmittags bis neun Uhr abends
in eine Berufsschule in Riad gegangen. Dort war er nämlich
einer meiner Schüler in einem Englisch-Kurs. Die Prüfung
am Ende des Kurses bestand er. Doch dann ereilte ihn ein hartes Los:
Er fand keine Arbeit. Also kehrte er einfach wieder zu seinem Alltag
mit den Nächten vor dem Computer zurück.
Bader war einer
meiner besseren Schüler. Er kam regelmäßig, sagte
sogar manchmal etwas im Unterricht, auch wenn ich ihn nicht aufrief.
Und er ließ auch den Kopf so gut wie nie sinken, um
wegzudösen, wie viele andere Schüler.
Vor allem an der Al
Imam Universität und dem Institut für öffentliche
Verwaltung (IPA), wo der Unterricht morgens begann, war das ein
Problem. Einer ließ immer den Kopf hängen oder machte es
sich an die Wand gelehnt bequem. Bis ich von den Nächten in der
Videospiel-Welt und
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