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Im Königreich der Frommen (German Edition)

Im Königreich der Frommen (German Edition)

Titel: Im Königreich der Frommen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Boehm
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sagt der sonst so zurückhaltende
Professor draußen auf dem Gang und stößt
kämpferisch den Finger in die Luft.
    Auch Mohammed ist
schon wieder in Kämpferlaune. Vor drei Tagen hat er erfahren,
dass die Berufung im Fall des Ex-Richters Raschudi abgelehnt wurde.
Deshalb werde ACPRA diesen Fall nun, sagt er, vor das höchste
saudische Gericht bringen.
    Er hat schon wieder
einen neuen, viel größeren Plan. „Da das
Gerichtssystem in Saudi Arabien offensichtlich nicht funktioniert,
werden wir das Land vor einem internationalem Gericht verklagen“,
sagt er und meint es ernst. Ihm schwebe der Europäische
Gerichtshof für Menschenrechte vor. „Wenn das nationale
Recht versagt, wird das internationale aktiv. Dafür werden wir
allerdings noch ein paar mehr Fälle brauchen.“
    Wie viele?
    „ Wir schätzen
so rund dreißig.“
    Das kann aber
dauern. „Na ja, klar, das kann schon ein paar Jahre dauern“,
sagt er wie selbstverständlich und ist gleich wieder bei einem
anderen Verfahren, das bald als Beweispunkt zwei oder drei im großen
Plan dienen soll.
    Zum nächsten
Termin in Thamer Al Kathars Verfahren bin ich nicht mehr
hingegangen. Mir fehlte Mohammeds Beharrlichkeit – die sich
aber in diesem Fall wirklich bezahlt machte. Beim nächsten
Termin gab die Beschwerde-Kammer ACPRA nämlich Recht. Sie
ordnete Kathars Freilassung an. Nur kümmerte diese Entscheidung
das Innenministerium nicht. Kathar blieb weiter in Haft und kam erst
zehn Monate später frei. Allerdings wurde er inzwischen mit
sechsundsiebzig weiteren Personen angeklagt und steht gerade vor
einem Riader Kriminalgericht (Stand April 2013).
    Nach dem Urteil der
Beschwerde-Kammer, das ACPRA Recht gab, rief ich Mohammed an. Das
Innenministerium ignorierte das Urteil? ACPRA und sein Vorsitzender
Qahtani focht das nicht an. ACPRA klagte einfach weiter. Nur was
war, wenn König Abdullah starb, fragte ich mich damals, und die
Zeiten wieder rauer wurden?
    Der König
waren über achtzig Jahre alt und sehr gebrechlich, der
Kronprinz dement. Der verhasste Innenminister Prinz Naif war der
nächste in der Thronfolge. In einem bedachteren Moment sagte
Mohammed damals: „Wir sind noch nicht über den Berg. Noch
sind wir verletzlich.“ Und fügte nach einer kurzen Pause
hinzu: „Aber wir werden auf keinen Fall Ruhe geben. Auch wenn
der Innenminister König wird.“
    Im Oktober 2011
wurde der Innenminister Prinz Naif Kronprinz. Im Januar 2012 verließ
ich das Königreich. Kurz darauf schickte ACPRA einen
öffentlichen Brief an den König, in dem die Organisation
forderte, den Innenminister und frischgebackenen Kronprinzen wegen
der zahlreichen Menschenrechtsverletzungen des Innenministeriums vor
einem Gericht im Königreich anzuklagen. ACPRA schrieb auch an
mehrere UNO-Sonderberichterstatter deswegen.
    Am 18. Juni 2012,
zwei Tage nachdem der verhasste Innenminister (und Kronprinz) starb,
las ich, dass Mohammed zusammen mit Abdullah Al Hamad vor einem
Riader Gericht angeklagt wurde. Vor dieses Gericht werden vor allem
mutmaßliche Al Quaida-Mitglieder gestellt. Ich war schon lange
wieder im deutschen Alltag angekommen. Wohl deshalb lasen sich die
Vorwürfe gegen die beiden wie eine Anklageschrift des
Königreiches: Angeblich haben die zwei eine unerlaubte
Organisation gegründet, die Loyalität gegenüber dem
König aufgekündigt, das saudische System einen
Polizeistaat genannt und die saudische öffentliche Meinung
sowie internationale Organisationen gegen das Königreich
aufgehetzt. Dem war nichts hinzuzufügen. Sollten sie verurteilt
werden, mussten sie mit ein paar Jahren Gefängnis rechnen.
    Im Januar 2013
telefonierte ich seit langer Zeit wieder einmal mit Mohammed. Die
Beweisaufnahme in seinem Verfahren war abgeschlossen. Er wartete auf
das Urteil. Er war auf freiem Fuß, unterrichtete noch am
Institut für Diplomatische Studien, nur das Land durfte er
nicht verlassen.
    „ Alles ist
wie bisher. Ich mache ganz normal meine Arbeit“, sagte er. Und
dann schnell, bevor ich ihn bemitleiden konnte: „Alles ist
gut. Du solltest uns gratulieren. Durch unsere Arbeit ist es uns
gelungen zu zeigen, was für ein Polizeistaat unser Land
wirklich ist. Ich bin sehr optimistisch für die Zukunft, dass
wir bald ein demokratisches Saudi Arabien erleben werden.“
    Im Hintergrund
hörte ich ein Baby schreien, Mohammeds jüngste Tochter.
Ich war froh, dass er sich nicht hängen ließ, ja, dass es
ihm gut zu gehen schien. Trotzdem wollte ich ihm Mut zusprechen, ihm
sagen, dass

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