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Im Königreich der Frommen (German Edition)

Im Königreich der Frommen (German Edition)

Titel: Im Königreich der Frommen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Boehm
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Bewerber soll sie Jobs im staatlichen Sektor vermitteln. Finden
sie keinen, sollen ihnen umgerechnet 200 Euro monatlich
Arbeitslosenunterstützung zustehen.
    Natürlich gibt
es eigentlich eine Menge Arbeit in Saudi Arabien, aber eben im
privaten Sektor. Hat Bader sich dort beworben?
    „ Der private
Sektor ist nichts für mich“, sagte er sofort. Dort habe
er sich gar nicht beworben und werde das auch nicht. Die Löhne,
die dort gezahlt würden, seien einfach nicht akzeptabel. Und:
„Ein Job im öffentlichen Sektor bietet viel mehr soziale
Sicherheit.“
    Bader wird von
seinem Vater, einem Immobilienmakler, finanziell unterstützt.
Er wohnt auch noch im Haus seiner Eltern. Sein Vater setze ihn nicht
unter Druck, sagte er, auf eigenen Beinen zu stehen. Aber er wollte
nicht sagen, wie viel genau er von seinem Vater bekam – die
Summe war in der Gegend der geplanten Arbeitslosenunterstützung,
deutete er an. Aber gut auskommen konnte er damit, sagte er.
Lebensmittel und Benzin sind im Königreich nicht besonders
teuer.
    Trotzdem sagte
Bader, sei es „höchste Zeit“ gewesen, dass König
Abdullah etwas für die Arbeitslosen im Königreich tat.
„Die Preise bei uns sind stark angestiegen, besonders in
diesem Frühjahr.“ Das große Sozialpaket König
Abdullahs, das viele Barzahlungen einschloss, hat natürlich die
Inflation angeheizt.
    Hat es Bader
Überwindung gekostet, sich arbeitslos zu melden?, wollte ich
noch wissen. „Ich bin bei weitem nicht der Einzige, der dieses
Problem hat“, sagte er wieder. „Deshalb schäme ich
mich nicht. Viele meiner Freunde sind doch in derselben Situation.“
    Als wir uns nach
dem Interview verabschiedeten, sah ich, dass Bader einen neuen,
sportlichen Lexus mit getönten Scheiben und Rennstreifen fuhr.
Der Wagen sah ein bisschen so aus, als wäre er direkt aus einem
der Schnell-und-Zornig-Filme in der saudischen Vorstadt abgeworfen
worden.
    Den Lexus habe ihm
sein Vater geschenkt, sagte Bader, als er schon am Steuer saß.
Er habe ihn bekommen, als er die Prüfung an der Berufsschule
bestand. Für uns ließ er den Motor kurz aufheulen, dann
fuhr er los. Der Übersetzer und ich schauten ihm nach, bis er
um die Ecke bog.
    Sie mögen
einem kurios erscheinen, die Luxus-Arbeitslosen im Königreich.
Aber in vieler Hinsicht fand ich Bader typisch für meine
Studenten. Sie redeten genauso wie er. Meine Studenten dachten
überhaupt nicht daran, in der privaten Wirtschaft zu arbeiten.
Am liebsten wollten sie alle lebenslang zum staatlichen Ölkonzern
Aramco. Wenn es nötig war, hätten sie auch mit einem
Posten in einem Ministerium oder Amt vorlieb genommen.
    Dabei war das das
Erste, das dem westlichen Beobachter im Königreich ins Auge
fiel: Fünfundachtzig Prozent der Beschäftigten im privaten
Sektor dort sind Nicht-Saudis. So gut wie die gesamte Arbeit im
handwerklichen, gewerblichen und Dienstleistungssektor wird im
Königreich von rund zehn Millionen Gastarbeitern erledigt.
    Das sieht so aus,
dass man die Gastarbeiter die Straßen saubermachen sieht, sie
tanken die Autos, sie wechseln die Reifen, sie bauen die Häuser,
sie stehen in den Läden (außer an der Kasse), sie
reinigen und bügeln die Wäsche, sie wässern die
Gärten, sie fahren die Taxis – und das alles nur, weil
körperliche Arbeit unter den Beduinen der arabischen Wüste
verpönt war und ist. Früher wurde körperliche Arbeit
von den Sklaven erledigt. Nach der Abschaffung der Sklaverei 1962
übernahmen sie die Gastarbeiter.
    Im Königreich
kommen sie vor allem aus Süd- und Südost-Asien, allein
zwei Millionen aus Indien. Laut der Zentralen Abteilung für
Statistik und Information leben 19,8 Millionen Saudis und 9,4
Millionen Nicht-Saudis im Königreich. Nach Schätzungen
kommen dazu noch rund 2 Millionen nicht registrierte, illegale
Ausländer. Das heißt: auf zwei Saudis kommt ein
Gastarbeiter.
    Je nach Höhe
des Rohölpreises auf dem Weltmarkt kann das Königreich auf
jährliche Exporteinnahmen von 300 bis 400 Milliarden US-Dollar
zurückgreifen. Aber der Energieverbrauch im Land selbst wächst
so rasant, dass Saudi Arabien 2038 zum Erdölimporteur werden
wird, zitierte das „Wall Street Journal“ im April 2012
eine Studie der britischen Denkfabrik „Chatham House“.
„Zahlen der International Energy Agency zeigen“, schrieb
die Zeitung, „dass Saudi Arabien mehr Öl verbraucht als
Deutschland, eine Industrienation mit der dreifachen
Bevölkerungszahl und einer Wirtschaft, die fast fünfmal so
groß

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