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Im Königreich der Frommen (German Edition)

Im Königreich der Frommen (German Edition)

Titel: Im Königreich der Frommen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Boehm
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T-Shirts und dunkle Hosen. Für
ihn war das Interview also ein formeller Termin.
    Wir trafen uns im
Clubraum einer Moschee, ganz im Westen Riads. Die Fahrt mit dem Taxi
dorthin fühlte sich ein bisschen an wie eine Reise in eine
andere Stadt. Bis ich hinkam, verging fast eine Stunde.
    Das Stadtzentrum
von Riad wird durch eine große Ringautobahn umkreist. Ich
hätte also auch durch die Stadt fahren können. Das wäre
um einiges kürzer gewesen. Hätte aber wahrscheinlich
länger gedauert. Ich sagte dem Taxifahrer nur die Nummer der
Ausfahrt an der Ringautobahn. Er wusste, was er tat. Er durchfuhr
lieber den halben Kreis.
    Das Viertel, in dem
Bader wohnte, war schon etwas älter, bestand schon etwas länger
als dasjenige, in dem ich wohnte. Aber der Platz um die Moschee, in
der wir uns trafen, war noch nicht geteert. Darüber blies noch
der Sand.
    Die Moschee selbst
war groß und beeindruckend für ein normales Wohnviertel.
Aber auch in meinem Viertel wuchsen in regelmäßigen
Abständen solch wuchtigen Sakralbauten auf leeren Grundstücken.
Sie sahen alle sehr ähnlich aus, als könnte man sie in
einem Katalog bestellen. Ein Würfel mit einer großen
Kuppel stand im Zentrum. An den Ecken reckten sich vier schlanke
Minarette in die Höhe, oft in Glieder unterteilt, die sich nach
oben verjüngten. Die gesamte Fassade war mit sandfarbenen
Kacheln verkleidet.
    Ich traf mich mit
dem Cousin eines meiner Studenten. Wie Bader wohnte er nicht weit
von hier. Er hatte den Raum in der Moschee organisiert und sich
bereit erklärt zu übersetzen. Gemeinsam fanden wir den
Hausmeister. Der verschwand wieder und tauchte schließlich mit
einem großen Schlüsselbund auf. Dann führte er uns
zu einem flachen Nebengebäude: dem Clubraum der Moschee. Die
seien speziell für junge Leute reserviert, sagte er. Dort
warteten wir auf Bader.
    Der Hausmeister
schloss umständlich die Tür auf und musste erst die dicken
Samtvorhänge aufmachen, damit etwas Licht von außen
reinkam. Auf den zwei Lack-Tischen war eine dünne Staubschicht.
    Der Raum war lang
und schmal. An den Wänden standen schwere Sofas, in hellem
Braun, gestreift an den Armstützen und abgesteppt und gemustert
auf den Sitzflächen. In den Ecken lagen dicke Fransenkissen.
    Die Wände
waren mit dicken, beigen Textiltapeten verkleidet. Sie zeigten
altmodische Rautenmuster in gedeckten Brauntönen.
    In der Mitte,
eingerahmt von den Sofas, standen zwei glänzende schwarze
Lacktische und in allen vier Ecken des Raumes grüne
Plastikpflanzen. An der Wand hingen zwei Gemälde mit den
pastoralen Szenen des Nomadenlebens in der Wüste.
    Bader kam etwas
spät. Umständlich setzte er sich in eines der Sofas,
machte sich mit dem Übersetzer bekannt und schaute sich nervös
im Zimmer um wie ein in die Ecke getriebenes Tier. Der Hausmeister
brachte Thermoskannen mit Tee und saudischem Kaffee aus Kardamom und
Nelken und anderen Gewürzen.
    Wir begannen mit
dem Interview. Bader war anzusehen, wie unwohl er sich fühlte.
Er saß auf dem äußersten Rand des Sofas, in der
Ecke am weitesten weg von mir. Im Ton seiner Stimme war die Unruhe
deutlich zu hören.
    Als ich ihn anrief,
hatte er noch entspannt und selbstsicher geklungen. Es war nicht
schwer, ihn zu dem Interview zu bewegen. Aber jetzt wurde ihm
anscheinend bewusst, dass er Rede und Antwort zu einem im Königreich
heiklen Thema stehen sollte.
    Ich bot Bader an,
seinen Namen in dem Zeitungsartikel zu ändern. Er lehnte ab.
Vielleicht sei es ganz gut, einmal darüber zu reden, meinte er
schließlich. Vielen anderen jungen Leute gehe es wie ihm,
sagte er entschlossen, fast trotzig. Mit der Zeit entspannte er
sich.
    Vor dem Kurs bei
der Berufsschule, das erfuhr ich erst jetzt, hatte Bader schon einen
Fachhochschul-Abschluss als Büro-Kraft (Office Management)
gemacht. Ursprünglich, sagte er, wollte er wie viele andere
sein Studium im Ausland fortsetzen, hat sich jedoch, nachdem er den
notwendigen Englisch-Kurs dafür gemacht hat, entschieden, in
seinem Heimatland nach einem Job zu suchen.
    Warum?
    „ Ich will
heiraten“, sagte er ohne viel Emotion in der Stimme.
    Hatte er die Eine
schon gefunden?
    Bader lachte. Ich
war ja noch so neu im Königreich. Er lachte über meine
Unwissenheit. Er sagte: „Wenn du eine Stelle hast, findest du
sehr schnell eine Braut. Aber Arbeit musst du haben.“
    Deshalb hat sich
Bader auf der damals neuen Regierungs-Webseite eingeschrieben. Sie
ist eine Mischung aus Jobbörse und Arbeitslosenanlaufstelle. An
die

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