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Im Königreich der Frommen (German Edition)

Im Königreich der Frommen (German Edition)

Titel: Im Königreich der Frommen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Boehm
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für
Zeitschriften. Die Abstände, in denen sie mich, wenn überhaupt,
erreichen, sind allerdings völlig willkürlich. Manchmal
kommen zehn auf einmal. Dann wieder kommt monatelang keine.
    Eine, „TIME“,
kommt gar nicht zu mir durch. Ich denke, da freut sich jemand bei
der Saudischen Post über ein kostenfreies Abonnement.
    Der „New
Yorker“, in dem kaum Fotos sind, kommt in einem neutralen
braunen Umschlag, wie bei uns ein Erotik-Magazin. Und „Vanity
Fair“, mit vielen Modeanzeigen, kam neulich noch in Plastik
eingeschweißt, mit einem großen schwarzen Tintenklecks
auf dem Titelblatt. Der Tintenklecks war genau auf dem Ausschnitt
von Kate Perry.
    Nanu! Im Heft sind
ja noch mehr. Viele mehr. Die sind ja im ganzen Heft! Da hat sich
doch tatsächlich jemand hingesetzt und hat jeden einzelnen
Frauenschenkel ab dem Knie aufwärts und jeden tiefen Ausschnitt
mit tiefschwarzer Farbe überpinselt. Ein paar Seiten sind ganz
rausgerissen. Da konnte wohl auch der Pinsel nicht mehr helfen. Oder
zieren die Seiten jetzt irgendeinen Spind in der Post oder wurden in
einer staubigen Schublade verborgen?
    Ein Kollege, dem
ich das erzählt habe, sagte, ich solle mich mal in der
Toilettensachen-Abteilung eines Kaufhauses umsehen. Das tat ich.
Gute Güte! Selbst Gesichter auf Haarshampoos waren übermalt.
Auf allen freizügigeren Seifen- und Haartöner-Verpackungen,
sah ich, hatte der Pinsel seine Arbeit getan.
    Dann gibt es aber
noch andere, gravierendere Probleme mit der Post. Als ich noch ganz
frisch war in Saudi Arabien, habe ich mir ein Paket mit meiner
deutschen Post nachschicken lassen. Aber es kam einfach nicht.
Zuerst dachte ich, auweia, was hast du denn da wieder für
unbepinselbare Briefe bekommen. Aber inzwischen habe ich mit einer
Kollegin gesprochen, die sich ein Paket mit Süßigkeiten
schicken ließ. Vor einen halben Jahr. Die bei der Saudischen
Post sind selber schuld, wenn sie jetzt dick und rund werden.
    Nach viereinhalb
Monaten ist das Paket mit meinen Briefen dann aber doch noch
angekommen. In Berlin, von wo es abgeschickt wurde. Die Post? Die
Post!
    Aber es gab sie,
die Post. In den saudischen Städten sah ich immer wieder
Hochhäuser mit großen Neon-Buchstaben. SAUDI POST stand
da riesig auf den Dächern. Dann musste sie doch auch
funktionieren!
    Leider ist so ein
Gedankengang in Saudi Arabien nicht immer richtig. Eine ganze Menge
Stellen, vor allem in der Verwaltung, sind eindeutig nur Ruheposten,
die aus den sprudelnden saudischen Ölquellen finanziert werden.
Andere würden gar behaupten, die gesamte saudische Verwaltung
sei ein einziger Ruheposten, aber das würden nur wirklich
Übelwollende tun.
    Misstrauisch hätte
mich allerdings schon machen müssen, dass meine Schüler in
der Berufsschule nicht zu wissen schienen, was ein Brief ist. Meine
Versuche einen Briefumschlag an die Tafel zu malen, quittierten sie
in allen Klassen mit dem Ausruf, „Ja, Lehrer, das ist eine
Botschaft.“ Ja, schon. Aber doch eine recht spezielle
Botschaft. Ein Brief nämlich.
    Also fragte ich
nach dem Unterricht Ali, einen meiner besten Schüler, ob in
Saudi Arabien denn niemand Briefe verschicke. „Aber natürlich,
Lehrer!“, sagte er. „Strom-Rechnungen, Wasser-Rechnungen
und so was werden mit der Post verschickt.“
    Vorsichtshalber
fragte ich noch einen zweiten Schüler. Der allerdings sagte:
„Unsinn, Lehrer, die Post benutzt bei uns niemand.“
    Aber warum sagt
dann Ali, sie werde benutzt. Darauf der Schüler: „Wissen
Sie, Alis Vater arbeitet bei der Post.“
    Ob Alis Vater
allerdings auch an der kreativen Arbeitsbeschaffung der Saudischen
Post in Dschidda beteiligt war, kann ich aber nicht sagen.
Wahrscheinlich eher nicht, denn der wohnte ja in Abha, und da sind
sie auf die Idee noch nicht gekommen.
    Alles fing auf
jeden Fall damit an, dass die Zeitungen im Sommer 2011 meldeten, die
Saudische Post mache jährlich umgerechnet 2,6 Milliarden Euro
Verlust. Hoppla! Wie geht das denn zu? Ein völlig
disfunktionales Staatsunternehmen, dessen Dienste niemand in
Anspruch nimmt, macht Verlust. Also das ist ja...
    Aber der Reihe
nach. Für den Verlust verantwortlich machte ein Sprecher der
Post nicht namentlich genannte Kurierdienste, die im Land ohne
Lizenz arbeiteten und der Post die Arbeit wegschnappten. Ich habe
keine gesehen, aber das muss ja nichts heißen.
    Kurz darauf wurde
gemeldet, dass sich zehntausende von Pakistanis vor der Hauptpost in
Dschidda versammelten, der Hafenstadt am Roten Meer. Sie

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