Im Königreich der Frommen (German Edition)
hatten
gehört, dass sie dort Entschädigung für den Schaden
beantragen konnten, der ihnen durch die Flut im Januar 2011
entstanden war.
Das Gerücht
hatte eine wahren Kern. Saudis konnten sich tatsächlich beim
König um Schadenersatz bewerben. Aber nicht pakistanische
Gastarbeiter. Nur wussten die das nicht. Oder wollten das selbst
einer Pressemitteilung des Gouverneurs von Mekka nicht glauben. Er
ist auch für Dschidda zuständig.
Der Ansturm der
Pakistanis ging ungebremst weiter. Sie schickten eine Kopie ihres
Reisepasses und eine Botschaft mit den Worten „Ich bin arm und
brauche Hilfe“ express an den König. Portokosten
umgerechnet 6 Euro.
Die bei der Post
waren es zufrieden. Innerhalb der ersten vier Tage machten sie in
Dschidda allein 100.000 Euro an dem glücklichen Ansturm. Dann
verbreitete sich das Gerücht auch in andere Städten. In
Medina machten sie 200.000 Euro in zehn Tagen. In Riad musste die
Verkehrspolizei gebeten werden, den Ansturm vor der Post zu
kontrollieren und in gerade Schlangen zu organisieren.
Die
Postangestellten, das darf man annehmen, konnten ihr Glück kaum
fassen. Schlangen! So etwas hatten sie seit der Gründung des
Botendienstes 1901 noch nie erlebt. Durch die ungewohnte
Geschäftigkeit schoss allerdings ihr Blutzuckerspiegel in die
Höhe, und sie ließen gleich die Zügel schießen.
„Wir befriedigen jeden Tag 450 Pakistanis“, wurde ein
Postangestellter aus Dschidda in den „Arab News“
zitiert. Gemeint war: Wir bedienen täglich 450 Pakistanis. Aber
es ist klar, was da los war. „Wir waren entschlossen eine
Dienstleistung abzuliefern, egal ob das ein Gerücht war oder
nicht.“
Ja, so kennen wir
sie. Ob es stürmt oder schneit, hagelt oder drischt, egal, ein
Angestellter der Saudischen Post liefert eine 1A-Dienstleistung ab.
Egal ob die Briefe gleich hinter der Theke express irgendwo ins
Nirgendwo gehen.
Nach zwei Monaten
wurde schließlich die Pakistanische Botschaft aktiv. Sie
wandte sich an die Presse und auch an Radio Pakistan. Vielleicht
wird das helfen.
Und was glauben
Sie, wer es war, der das Gerücht gestreut hat? Richtig geraten.
Wenn man den „Arab News“ glaubt, war es die Saudische
Post selbst. „Den Postfilialen gelang es in vier Tagen 100.000
Euro einzunehmen, nachdem sie das Gerücht Anfang vergangenen
Monats verbreitet hatten.“ Im Englischen ist es mit den Sätzen
mit einem Gerund so eine Sache. Da gerät schnell mal
durcheinander, wer was gemacht hat. Gemeint war wahrscheinlich: In
den vier Tagen, nachdem sich das Gerücht verbreitet hatte,
nahmen die Postfilialen das viele Geld ein. Ich habe einfach meine
Zweifel, ob die bei der Saudischen Post wirklich zu einem so
komplexen, aber doch effektiven Schuhriegel fähig sind.
Aber dann
wiederum... Es passt alles zusammen. Seit ungefähr zwei Monaten
habe ich keine Zeitschrift mehr bekommen. Ob die wirklich alle damit
beschäftigt sind, Massen von Pakistanis zu befriedigen?
HAUSMÄDCHEN IM KÖNIGREICH: EINE HORROR-STORY
Für Maria
Estramo (den Namen habe ich geändert) ist ihre Zeit in Saudi
Arabien nach ihren eigenen Worten „eine Horrorgeschichte“.
Sie wurde beschimpft, bespuckt und geschlagen. Trotzdem wird sie
weiter hier bleiben. „Es ist wie in der Hölle“,
sagt die 33-jährige. „Aber ich muss es weiter ertragen.“
Sie muss einfach.
Denn ihr 6-jähriger Sohn hängt von dem Geld ab, das sie
nach Hause, auf den Philippinen, schickt. Er geht in die erste
Klasse der Grundschule. Er ist ihr ein und alles. Sein Foto nimmt
sie aus einem abgegriffenen Umschlag, an ihn denkt sie, wenn sie
nicht mehr weiter weiß. Sie muss durchhalten. Was soll sie
sonst machen?
Sie ist ja ein
großes Mädchen. Wortwörtlich. Für eine
Philippina ist sie groß, 1,68 Meter, und hat einen großen
Mund mit großen, geraden Zähnen. Ihr Lachen ist
ansteckend, so dass die anderen Hausmädchen einstimmen, so fern
der Heimat.
Maria Estramo sitzt
in einer kleinen Wohnung in Manfuah. Das ist ein Viertel mit engen
Gassen und alten Häusern nicht weit entfernt von Riads
Altstadt. Von Wind und Wetter dahinschmelzende Lehmhäuser
stehen dort neben flachen, modernen Zweckbauten. Dort wohnen vor
allem Familien aus Südasien, aber kaum Philippinos.
Zwei von Maria
Estramos Freundinnen, die auch als Hausmädchen arbeiten, sitzen
neben ihr auf dem Sofa. Sie nicken übertrieben zu den wichtigen
Details ihrer Geschichte. Wenn sie Unterstützung braucht, legen
sie ihr die Hand auf den Arm oder das Knie.
In der
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