Im Königreich der Frommen (German Edition)
ist.“
Dass das Königreich
zum Erdölimporteur werden wird, ist eine Prognose, also alles
andere als sicher. Aber dass seine Exporteinnahmen stetig sinken
werden, gilt als ausgemacht.
Auch ohne die
Aussicht knapper werdender Ressourcen jedoch war eigentlich allen
außer meinen Studenten klar, dass das saudische System von
hunderttausenden jungen Saudis, die jährlich auf den
Arbeitsmarkt drängen und keine Arbeit finden, und Millionen
Gastarbeitern, die dort arbeiten, nicht ewig gutgehen kann.
Deshalb hat das
saudische Arbeitsministerium im Sommer 2011 das Nitaqat-Programm
vorgelegt (Nitaqat = Stufen). Es ist das jüngste von einem
halben Dutzend solcher Programme, mit denen das Königreich seit
zwanzig Jahren erfolglos versucht, die Zahl der beschäftigten
Saudis zu erhöhen und die der Gastarbeiter zu verringern.
Das
Nitaqat-Programm stuft die Firmen des Königreiches in
verschiedene Kategorien ein. Firmen, die einen Anteil Saudis
beschäftigen, kommen in die blaue und grüne Zone. Firmen,
die diesen festgelegten Prozentsatz von saudischen Beschäftigten
unterschreiten – gelb und rot –, werden dadurch
bestraft, dass sie die Arbeitserlaubnis ihrer Gastarbeiter nicht
mehr verlängern dürfen.
Das hört sich
drastisch an, ist es aber nicht. Firmen unter zehn Beschäftigen
zum Beispiel müssen nur einen Saudi beschäftigen, um in
die grüne Zone zu kommen.
Trotzdem läuft
die Umsetzung des Nitaqat-Programms schlecht. Die Frist, nach der
die Arbeitserlaubnis der ersten Gastarbeiter abgelaufen wäre,
musste schon zweimal verlängert werden.
Im März 2013
schienen die saudischen Behörden jedoch ernst zu machen. Die
„Arab News“ meldete, 250.000 kleine und mittelständische
Betriebe würden nun in die rote Kategorie eingestuft. Lokale
Zeitungen meldeten, 800.000 illegale Arbeiter seien in den
vergangenen Monaten schon deportiert worden. In einigen Betrieben
wurden Razzien durchgeführt. Unter den Gastarbeitern
verbreitete sich Panik. Vorsichtshalber hielten sich viele der
Arbeit fern. Geschäfte, Restaurants und Werkstätten
blieben geschlossen, so dass der König schließlich eine
dreimonatige Gnadenfrist verkünden musste, die den
Gastarbeitern Zeit geben soll, ihre Aufenthaltspapiere in Ordnung zu
bringen.
Dass viele Firmen
selbst den einen Alibi-Saudi nicht einstellen wollen, sagt wohl
weniger etwas über die Firmen im Königreich aus, als
vielmehr etwas über seine Arbeitskräfte.
Saudis konnten
nicht als Taxifahrer angestellt werden, als ich dort lebte, weil
saudische Frauen nicht zu ihnen ins Taxi stiegen. Sie beschwerten
sich, dass sie von saudischen Fahrern belästigt wurden.
Als ich bei den
„Arab News“ ein Praktikum machte, sagte mir der damalige
Chefredakteur Khaled Al Maaena, er stelle keine saudischen Männer
mehr ein, weil die sich sofort aufblähten, nachdem ihr Name in
der Zeitung erschienen sei.
Ein europäischer
Bauingenieur, den ich privat kannte, unterhielt mich mit Possen aus
seinem Arbeitsleben über unfähige Saudis auf dem Bau. Und
unter uns Lehrern war es ein Dauerwitz, dass unsere kindsköpfigen
Studenten einmal Lehrer werden sollten und Ingenieure und Ärzte.
Jeder Nicht-Saudi hatte seine eigenen Geschichten über Saudis
am Arbeitsplatz und keine davon war besonders schmeichelhaft.
Selbst einigen
meiner Studenten dämmerte schon damals, dass das saudische
System anfing, an seine Grenzen zu stoßen. Im Personalisierten
Sprechen erzählten sie mir, ihre älteren Brüder
lebten mit Frau und Kindern mit ihnen im Haus ihrer Eltern.
Ist das normal?
fragte ich.
Nein, sagten sie,
aber was wollten sie machen, sie konnten sich kein eigenes Haus
leisten.
Bei Bader war es
nicht anders. Auch er glaubte nicht, dass das saudische System noch
lange so weiterleben konnte: „Ich denke nicht, dass meine
Generation noch so gut verdienen wird wie die meines Vaters“,
sagte er ohne Umstände bei dem Interview. Und: „Das
denken viele junge Leute.“
DIE POST? DIE POST!
Mit
der Post ist das so eine Sache in Saudi Arabien. Es gibt keine
Hausnummern, und viele Straßen haben keine Namen. Deshalb
geben viele Leute in
Riad eine
Ausfahrt auf
der Ringautobahn
an, um zumindest in etwa klar zu machen, wo sie leben. Ich wohnte in
„Ausfahrt 9“.
Deshalb müssen
auch alle meine Briefe an das Postfach der Firma adressiert werden,
für die ich arbeite. Die schicken jemanden zur Post, der die
Briefe abholt. Ich wiederum fahre zu meiner Firma und hole sie dort
ab.
Das gilt auch
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