Im Königreich der Frommen (German Edition)
manchen
saudischen Familien, die sich mehrere Hausmädchen leisten
können, bleiben die sogar in der Schule, tragen die Bücher
der Schulkinder herum, warten vor den Klassenzimmern, bis die
Sprösslinge wieder rauskommen und holen ihnen etwas zu trinken
oder das Pausenbrot, wenn es Not tut.
Nachdem Maria
Estramo das älteste Mädchen an der Schule abgeliefert hat,
fährt sie zurück nach Hause und fängt an, das Haus
sauber zu machen. Dann fährt sie mit der zweiten Tochter zur
Schule und so weiter. Dann bereitet sie das Mittagessen vor.
Danach tut sie, was
sonst noch so im Haus zu tun ist, wäscht, wäscht ab, geht
einkaufen und holt nacheinander die Mädchen wieder von der
Schule ab, fährt insgesamt also vier Mal zu den Schulen und
wieder nach Hause, bis alle Töchter zur Schule gebracht und
auch wieder abgeholt sind. Bis es dann schließlich Zeit ist,
das Abendessen vorzubereiten.
Danach erledigt
sie, was sie am Tag nicht geschafft hat. Um 0 Uhr 30 darf sie
schlafen gehen. Manchmal jedoch auch erst um ein Uhr. Am nächsten
Morgen um 4 Uhr 30 musste sie wieder auf der Matte stehen. Jeden
Tag, ohne einen Tag Pause.
„ Die
schlimmste Zeit war, wenn der Mann nach Hause kam“, erinnert
sich Maria Estramo. Denn wenn sie dann noch nicht mit dem Abendessen
fertig war, musste sie damit rechnen, dass der Mann seine schlechte
Laune an ihr ausließ. „Er beschimpfte mich: , D u
Hund ' , , D u Stück Scheiße'.
Ich habe gar nicht alles verstanden. So gut kann ich nicht
Arabisch“, sagt sie und muss noch heute den Kopf schütteln,
wenn sie daran denkt, was sie über sich ergehen lassen musste.
Ein paar Mal, wenn
sie es nicht mehr ausgehalten hat, und zurückgeschimpft hat,
hat der Mann sie auch geschlagen. „Er hat mich bespuckt, mich
ins Gesicht geschlagen, mich getreten. Für ihn war ich nicht
mehr als ein Sklave“, sagt sie jetzt mit Tränen in den
Augen. „ Ich musste immer auf der Hut sein, denn seine Laune
konnte plötzlich umschlagen.“
Warum ist sie denn
nicht zur Polizei gegangen? Die Antwort ist einfach: Sie konnte
nicht, denn sie hatte kein Iqama und war deshalb illegal im Land. Wäre sie zur Polizei gegangen,
hätte sie riskiert, deportiert zu werden.
Das Rechtssystem,
das den Status der fast zehn Millionen Gastarbeiter im Königreich
regelt, ist völlig veraltet. Es stammt aus der Zeit der
Stammesgesellschaft und wurde nie reformiert. Es macht die
Gastarbeiter völlig von ihren Arbeitgebern abhängig,
obwohl es eigentlich genau die sind, vor denen es sie beschützen
sollte.
Das System beruht
auf dem Leumund des kafeel ,
des „Sponsors“.
Früher musste dieser Sponsor für das Wohlergehen des
Besuchers sorgen, war aber auch für den Schaden verantwortlich,
den der Gast verursacht hat. Er musste ihn dem Emir übergeben,
falls der sich etwas zu Schulden kommen ließ. Heute entlässt
das System den Sponsor jedoch aus jeglicher Verantwortung. Der
behauptet einfach, sein Arbeiter sei davongelaufen. Damit ist er
aller Verpflichtungen ledig.
Jeder Gastarbeiter,
der nach Saudi Arabien kommt, muss von einem solchen Sponsor,
typischerweise einer Firma, oder im Fall von Maria Estramo, einer
Familie, eingeladen werden. Im Land übergibt man seinem Sponsor
seinen Reisepass und bekommt dafür ein Iqama, eine Art
Personalausweis und gleichzeitig Nachweis, dass man für den
Sponsor arbeitet. Will man verreisen, braucht man die Erlaubnis des
Sponsors (und seinen Reisepass). Will man nach dem Ende des
Vertrages Saudi Arabien verlassen, braucht man sogar einen Brief von
ihm, um sich ein Ausreisevisum zu besorgen.
So sind die
Gastarbeiter ihren Sponsoren auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.
Fast alle Gastarbeiter haben Familien, die auf das bisschen Geld
angewiesen sind, das sie aus dem Königreich nach Hause
schicken. Die Sponsoren brauchen nur damit zu drohen, ihre Arbeiter
deportieren zu lassen. Das ist der große Hebel, mit dem die
Gastarbeiter unter Druck gehalten werden. Deshalb sind im Königreich
Berichte über unmenschliche Arbeitsbedingungen und monatelang
nicht gezahlte Löhne Legion.
Maria Estramos
Arbeitgeber hat ihr kein Iqama besorgt. Um die Kosten dafür zu
sparen oder um das Hausmädchen besser unter Druck setzen zu
können, denn so war sie illegal im Land und hätte
jederzeit ausgewiesen werden können.
Maria Estramo hat
damals mit einer Freundin gesprochen, die auch als Hausmädchen
arbeitete. Sie wusste nicht, was sie machen sollte, wie sie der
Hölle entfliehen konnte, ohne ihr mageres
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