Im Königreich der Frommen (German Edition)
Kenia, Nepal und anderen Ländern
verhandelten, um Hausmädchen von dort zu rekrutieren. Seitdem
sind die kenianischen Zeitungen voll mit Horror-Geschichten von
Hausmädchen im Königreich.
Für das Leben
derjenigen Hausmädchen, die illegal in Saudi Arabien leben,
hatte der faktische Rekrutierungsstopp einen positiven Effekt. Wie
andere, sagt Maria Estramo, die Nachfrage nach Hausangestellten sei
nun so groß, dass sie sich den Haushalt aussuchen könnte
und die Entlohnung sei auch angestiegen.
Trotzdem, sagt
Maria Estramo am Ende des Interviews, würde sie lieber heute
als morgen zurück nach Hause gehen. Sie vermisst ihre Familie.
Nur: Daraus wird
nichts werden. Sie hat kein Geld, um nach Hause zu fliegen. Ohnehin
könnte sie das nicht, denn sie würde wahrscheinlich am
Flughafen festgenommen. Das Einzige, was sie tun könnte, ist
sich den saudischen Behörden zu stellen. Dann würde sie
wahrscheinlich für ein paar Monate eingesperrt und dann
ausgewiesen. Also wird sie hier bleiben. Sie wird sich eine andere
Bleibe suchen und wird weiter arbeiten gehen und weiter ihren Lohn
nach Hause schicken. Was sollte sie anderes machen.
DIE HÄUSLEBAUER
Das Projekt war in
jeder Hinsicht riesig. Die Prinzessin Nora Universität im
Norden Riads war eine der größten Baustellen der Welt.
Mit einem Budget von mehr als elf Milliarden US-Dollar waren die
Baumaßnahmen dort teurer als die auf dem „Ground Zero“,
im Süden Manhattans, und ungefähr im Umfang der gesamten
für die Olympischen Spiele in London errichteten Sportstätten.
„ Die
Universität ist eine eigene kleine Stadt“, sagte mir ein
europäischer Bauingenieur, der an den Bauarbeiten beteiligt
war. Er wollte nicht namentlich genannt werden, weil er noch
weiterhin im Königreich arbeiten will. Zu Spitzenzeiten waren
dort 110.000 Arbeiter beschäftigt. Die Teileröffnung war
im Sommer 2011. Wenn alle Bauarbeiten abgeschlossen sind, werden auf
dem Campus 50.000 Studentinnen lernen und 12.000 Angestellte
arbeiten.
Eine
sechsundzwanzig Kilometer lange und drei Meter hohe Mauer umrahmt
den Campus. Kommt man vom internationalen Flughafen und fährt
in die Stadt, zieht man mehrere Minuten auf der Stadtautobahn an dem
Gelände vorbei. Einen riesigen Torbogen sieht man zuerst, dann
mit bunten Kacheln besetzte Kuppelbauten im Innern und Parks mit
Wasserfontänen und strahlend grünen Rasenflächen.
Dort sind zwei
Sportanlagen mit Fußballstadien in Bundesliga-Größe,
ein Krankenhaus mit 700 Betten, eine riesige Moschee, Büchereien,
Forschungszentren, ein Konferenzzentrum, sowie zweiundzwanzig
akademische und sieben medizinische Fakultätsgebäude.
Auf einer Fläche
von 800 Hektar – also von mehr als 800 Fußballfeldern –
wurden dort 1.400 Villen gebaut, in denen 12.000 Studentinnen wohnen
können. Außerdem wurden dort 20.000 Palmen und 16.000
schattenspendende Bäume gepflanzt, die täglich mit
fünfzehn Millionen Litern Wasser versorgt werden müssen.
Verbunden werden
die Anlagen durch ein eigenes, über zwanzig Kilometer langes
Hochbahn-System. Der Campus hat sein eigenes Stromkraftwerk,
Heizwerk, seine eigene Klima-, Wasseraufbereitungs- und
Müllverarbeitungsanlage, sowie eigene Brunnen, in denen das
Wasser aus einer Tiefe von 800 Metern an die Oberfläche gepumpt
wird. Da das Wasser aus einer solchen Tiefe kommt, ist es so heiß,
dass es gekühlt werden muss, bevor es benutzt werden kann. Und
da es fossiles Wasser ist, wird der Vorrat wohl mehrere tausend
Jahre brauchen, bis er sich wieder erneuern wird.
Außer der
Prinzessin Nora Universität wird in Riad an noch zwei weiteren
Mega-Projekten gebaut. Das König Abdullah Finanzviertel zum
Beispiel ist ein Komplex von einem Dutzend Hochhäusern im
Norden der Stadt. Nur einen Kilometer Luftlinie westlich davon
entsteht die Technologie- und Kommunikationsstadt, die fast ebenso
viele Gebäude umfasst.
Im Sommer 2011 hat
die saudische „Kingdom Holding Group“ Pläne für
ein weiteres Rekordprojekt vorgelegt: den Königreichsturm.
Nördlich von Dschidda will die Investitionsgesellschaft einen
mindestens 1.000 Meter hohen Wolkenkratzer bauen lassen. Die genaue
Höhe hält sie noch geheim. Trotzdem wäre dieser Turm
damit mindestens 173 Meter höher als der Burj Khalifa in Dubai
und damit das höchste Gebäude der Welt.
Als Baukosten für
den Turm sind 1,23 Milliarden US-Dollar veranschlagt, und um ihn
herum soll die Königsreichsstadt, ein gesamtes neues
Stadtviertel, im Wert von zwanzig Milliarden
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