Im Königreich der Frommen (German Edition)
Pfund wert, und sie wurden wegen ihres
Preises gut behandelt“, berichtet er. „Die öffentliche
Meinung und das Eigeninteresse verhinderte Grausamkeit ihnen
gegenüber, und die Maxime des Islam, dass einen Sklaven
freizulassen eine gute Tat sei, bedeutete in der Praxis, dass fast
alle am Ende die Freiheit erlangten.“
Holden und Jones
schreiben in „The House of Saud“, dass 1962 – im
Jahr der Abschaffung der Leibeigenschaft in Saudi Arabien –
rund 30.000 oder ein Prozent der Bevölkerung Sklaven waren.
Alle historischen
Berichte betonen jedoch die soziale Durchlässigkeit der
Schichten von Sklaven und Herren. Alle Sklaven konnten in
hochrangige Positionen der Gesellschaft aufsteigen. Die heutige
Sklaverei aus der Folterkammer brachte also erst das „perfekte
islamische System“. Und auch die absolute Nonchalance, mit der
sie gerechtfertigt wird.
Der Fall des
verstümmelten indonesischen Hausmädchens Sumiati Bint
Salan Mustapa im November 2010 löste weltweit eine Flut
negativer Schlagzeilen aus, aber anstatt sich ein paar quälende
Fragen zu stellen, warum das „perfekte islamische System“
so viele Monster hervorgebracht hat, war die Reaktion der Saudis
nicht eine von kollektiver Scham, sondern eine von ungezügelter
Selbstgerechtigkeit. Die Zeitungen schrieben von einer
„Anti-saudischen Pressekampagne“. Die „Arab News“
zitierte eine mit Vor- und Zunamen genannte Frau mit den Worten:
„Die Leute wollen nicht zugeben, dass wir diejenigen sind, die
leiden, weil wir völlig fremden Leuten Zugang zu unseren
Häusern geben, die in unsere Schränke schauen.“ Bei
anderen Themen kriegen Journalisten von Frauen nicht mal den
Vornamen.
Aber diese fromme
Einstellung herrscht nicht nur im gemeinen saudischen Volk vor. Sie
blüht und gedeiht auch weiter oben. Nachdem das Königreich
im März 2011 de facto die Rekrutierung philippinischer
Hausmädchen suspendierte, fuhr der philippinische
Vize-Präsident Jeomar Binay nach Saudi Arabien, um das
Königreich zu bitten, die Entscheidung zu überdenken. Ihm
wurde gesagt, der König habe keine Zeit, ihn zu treffen. Aber
nicht nur ihm, sondern auch der Presse, damit die Erniedrigung auch
wirklich jeder mitbekam.
Und als Saudi
Arabien im Juni 2011 das indonesische Hausmädchen Ruyati Binti
Sapubi hinrichtete, löste das in Indonesien eine handfeste
politische Krise aus. Das Hausmädchen war verurteilt worden,
ihre Arbeitgeberin im Januar 2010 erstochen zu haben. Die
indonesische Regierung war wütend, weil sie angeblich noch mit
der saudischen Familie des Opfers über eine Blutgeldzahlung
verhandelte. Die hätte Ruyati das Leben retten können.
Nach der
Hinrichtung war die indonesische Presse voll von Berichten über
die jahrelange Misshandlung Ruyatis. Dagegen habe sie sich nur
gewehrt, war die Meinung der meisten Kommentatoren. Das Parlament
debattierte. Der indonesische Präsident war unter Druck. Er
brauchte irgendetwas, das er vorweisen konnte. Die indonesische
Regierung berief ihren Botschafter aus Saudi Arabien ab und
bestellte den saudischen Botschafter ein, um gegen die Hinrichtung
zu protestieren. Danach sagte ein Sprecher der indonesischen
Regierung, der saudische Botschafter habe sich im Namen seines
Landes entschuldigt.
Nein, niemand habe
sich entschuldigt, sagte der saudische Botschafter am nächsten
Tag der Presse, er auf jeden Fall nicht.
Zwei Anlässe,
zwei Fälle, so rüde, dass sie auffallen unter den sonst
üblichen diplomatischen Gepflogenheiten zwischen Ländern.
Vor allem fallen sie heraus aus der saudischen Gewohnheit, sonst zu
jeder Gelegenheit, zu wolkigen Worten Zuflucht zu nehmen und bloß
nichts zu sagen, auf das man sie später festnageln könnte.
Im Frühjahr
2011 war sowohl auf den Philippinen als auch in Indonesien das Maß
voll, wie man die Landsleute behandelt sehen wollte. Sowohl die
philippinische als auch die indonesische Regierung verlangten
bessere Arbeitsbedingungen für Hausmädchen im Königreich.
Sie wollten einen Mindestlohn von 400 US-Dollar, einen Tag in der
Woche frei und einen Nachweis von saudischen Familien, dass sie sich
ein Hausmädchen leisten können. Die männlichen
Mitglieder des Haushaltes sollten verpflichtet werden, ihren Namen
und ein Foto einzureichen.
Ende Juni gab Saudi
Arabien einen kategorischen Rekrutierungsstopp für Hausmädchen
aus Indonesien und den Philippinen bekannt. Schon während der
Verhandlungen hatten saudische Regierungsvertreter klargemacht, dass
sie mit Äthiopien,
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